ICH BIN EIN BERBERMANN - ODER: IN MAROKKO AUF DEN SPUREN VON GAMES OF THRONES

| 09.04.2022 | | Morocco
ICH BIN EIN BERBERMANN - ODER: IN MAROKKO AUF DEN SPUREN VON GAMES OF THRONES

Marokko steht schon lange auf unserer Reisewunschliste. Und als wir uns Anfang des Jahres 2021 spontan entschieden, allen Corona-Unkenrufen zum Trotz eine Multivisionsshow zum Thema Afrika (3 ausgewählte Länder im Osten, Süden und Nordwesten) auf die Beine zu stellen, ist es - neben Sambia und Tansania - um das nordafrikanische Land geschehen. Im Oktober soll es endlich soweit sein. Erst vier Wochen vor Reisebeginn öffnet der marokkanische König seine Airports für Besucher aus Europa, speziell aus Deutschland. Vor uns liegt eine traumhafte 3.000 km-Tour durch das ganze Land mit dem zuverlässigen und sehr netten Ali aus Marrakesch als unseren erfahrenen und sicheren Fahrer in seinem schwarzen, außen und innen stets blankgeputzten Mercedes-Vito-Raumwunder. Daher seit langer Zeit mal wieder unser Reiseblogbeitrag in chronologischer Reihenfolge, damit Du die Tour nachverfolgen kannst, falls Du sie "nachfahren" möchtest:

2.10.: Autofahrt von Meckenbeuren am Bodensee nach Erding in unmittelbarer Nähe des Münchner Airports mit Übernachtung in einem netten Landhaus, aber leider mit quietschenden Betten. Schlecht geschlafen und um 5.00 Uhr aufgestanden.

3.10.: Nach einigen nicht immer positiven Erlebnissen rund um Corona-Gesundheitsregistrierungen für Marokko fliegen wir in einem prallgefüllten LH-Flugzeug nach Marrakesch. Mittags gelandet bei 29 C. Wärme. Das geht ja noch, fanden wir. Wir übernachten inmitten eines Gewirrs von engen, orange-gelb-beleuchteten Gassen in der Medina im Riad R.K. und machen gleich nach dem Einchecken eine erste kleine Citytour. Zu Fuß natürlich.

4.10.: Gemütliches Frühstück im Riad, dann eine große Tour durch die Medina und die einheimischen Flohmärkte plus dem jüdischen Teil mit Namen Mellah. Die Souks von Marrakesch: Für die einen ein Labyrinth für die Anderen das Shopping-Paradies schlechthin. Eine Straßenkarte für das Gassengewirr gibt es nicht. Sie würde vermutlich nicht weiterhelfen, denn nur wenige Gassen sind beschildert. Du befindest dich hier mitten im Shopping-Mekka und findest auch alles: Gewürzhändler, Nussverkäufer, Färber, Schneider, Buchhändler, Lampenhersteller, Suppenverkäufer, Cremes gegen Beschwerden aller Art. Wundermittel auch gegen Alles: Von Mitteln gegen Unfruchtbarkeit bis zu Mitteln der Schmerzlinderung. Der nächste Stand verkauft Rosenwasser, Salben und andere Gewässer. Gegen was, wir wissen es nicht. Wasserverkäufer läuten mit Glöckchen, um die Aufmerksamkeit zu erlangen. Unser Fußmarsch gleicht einem Irrlauf. Wir denken in einen Moment, wir müssen nur zweimal rechts abbiegen und stellen 15 Minuten später fest, dass wir keine Ahnung haben, wo wir uns befinden und in welche Richtung wir gehen müssen. Jeder zerrt an uns, um etwas zu verkaufen, und spricht uns an. Fast nur Männer. Andrea passt höllisch auf ihre Kamera auf. Des Königs Konterfei muss überall als Bild an der Wand hängen. Es ist total bunt hier. Ein Gewirr verschiedener Sprachen: Arabisch, französisch, englisch, viele können Brocken von Deutsch.

Als Ausgleich später aber ein sehr leckeres Abendessen in einem gemütlichen überdachten "Rooftop-"Restaurants der Stadt, die es ganz viele in dieser Stadt gibt. Kühl und luftig. Eine Erholung zum überhitzten Trubel Marrakeschs. Es heißt übrigens "Café Arabe", sehr empfehlenswert. Preise in Ordnung, sauber mit superfreundlichem Personal. Und ein kühles, frisch gezapftes Bier!

5.10.: Es folgt eine ganztägige Atlas-Tour durch drei große Täler, um den Atlas und das Leben einer Berberfamilie in Tahannaout erleben sowie eines traditionellen Berbermarktes, den "Souk Hebdomadaire Mardi" vor den Toren Marrakeschs.

Wir klettern einen rostroten Staubweg an einem kleinen Hügel hinauf und stehen dann vor der offenen Haustür des hier wohnenden Berberehepaares. Er (93 Jahre alt) lacht uns an und sagt etwas, was wir nicht verstehen. Sie (86 Jahre alt) ist etwas verschlossener. Mit den Beiden lebt hier noch die Schwiegertochter mit Mann plus zwei Kinder. Das ganze Haus wird präsentiert, alle Wände sind orange-rostrot gestrichen, farbige Fenster, einfachste Verhältnisse. Und dann natürlich der obligatorische heiß-süß zelebrierte Minztee - aus der Höhe sicher eingegossen, Fladenbrot, frisches Olivenöl, Honig, Butter. Alles mit den Fingern gegessen. Lecker! Sehr freundliche Menschen.

Auf dem Berbermarkt dampft es überall und es riecht intensiv. Hier gibt es wirklich Alles zu kaufen. Fotografieren und Filmen ist an diesem Platz noch einen Tick schwieriger, da viele offensichtlich Angst vor Andrea´s großer Kamera haben. Mit dem Smartphone geht es etwas besser. Überall Esel und Mulis. Plötzlich hält Matthias ein lebendes Huhn in der Hand und soll ihm mit einem großen langen Messer den Kopf abschneiden. Das bringt er aber nicht fertig!

6.10.: Fahrt über den hohen Atlas, kleine Frühstückspause im Landgasthaus am Hang des Berges, durchs Telouet-Tal mit Besuch der Kasbah Telouet und zu einer Stadt komplett aus Lehm erbaut mit Übernachtung dort im Gasthaus "Bagdad Café".

Aber fangen wir vorne an: Der Atlas und das Gebirge Ait Saoun sehen teilweise aus wie der Südwesten der USA. Erosion, Canyons, Sandstein, Täler, Tafelberge. Wasser sehen wir hier keines. Trockener geht es kaum noch. Wir landen mitten drin in einem kleinen Ort namens Telouet und dort in einer - von außen betrachtet - Burgruine, von innen allerdings ist es ein ehemaliger wunderschöner Palast aus Zeiten der Pascha-Dynastien. Echt sehenswert. Tolle Mosaiken, Räume und Torbögen.

Dann erreichen wir einen sehr bekannten Drehort von Game of Thrones namens Ait Ben Haddou mit dem berühmten Eingangstor in die Lehmstadt. Um zur historischen Altstadt zu gelangen, geht man hinunter bis zum Fluss und überquert eine Brücke. Dann geht es in einem kurzen Aufstieg hinauf. Oben angelangt hat man einen wunderbaren 360°-Blick auf die Stadt, die Wüste und auch das Atlasgebirge. Dieses Ksar (so heißt diese Art der befestigten Dörfer eigentlich) wurde 1987 in die Liste der UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen. Das große Tor besteht (was man ihm echt nicht ansieht) zur Hälfte aus Lehm und Stroh und zur anderen Hälfte aus Kunststoff. Auf dem fiktiven Kontinent Essos in der Welt von Game of Thrones verwandelt sich Aït-Ben-Haddou in die Stadt Yunkai, die kleinste der drei Städte der Sklavenbucht, und Pentos, die größte der freien Städte. Mit Hilfe des Beraters von Daenerys Targaryen,  gelangt eine kleine Gruppe von Soldaten  durch eine Hintertür in die Stadt. Sie öffnen das Haupttor und mit Hilfe von Daenerys Armee nehmen sie Yunkai innerhalb weniger Stunden ein. Die befreiten Sklaven huldigen Daenerys fortan als ihre „Mutter“.
 
7.10.: Wir fahren nach Ouarzazate zwecks Besuches der berühmten Atlas-Filmstudios und überqueren zuvor das nicht minder staubtrockene, hellbraun gefärbte Gebirge Ait Saoun mit seinen Tälern, Oasen und Bergen. In den Studios angelangt dürfen wir als Erstes das schneeweiße Original-Pferd mit Namen "Die Silberne" der schönen langblondigen Drachenkönigin Daenerys Targaryen aus Game of Thrones streicheln und natürlich auch fotografieren. Die Königin hat übrigens viele Namen bei Game of Thrones: Sturmtochter, Mutter der Drachen, Khaleesi, Befreierin von Meeren, Erste ihres Namens, Königin der Andalen und der ersten Menschen, Mhysa. Zu unserem großen Bedauern war sie gerade nicht anwesend als wir da waren. Das fanden tatsächlich auch einige männliche Angestellte des Filmstudios. Aber immerhin haben wir ihr Pferd kennengelernt. Ansonsten lernen wir, wie wirkliche Filmkulissen gebaut werden und danach aussehen. Total echt. Eine ganze arabisch-marokkanische Stadt steht hier. Unglaublich. Aktuell wird hier ein ägyptischer Film gedreht, daher waren einige Gebäude für uns gesperrt, aber nicht der Königspalast, in dem wir dann ein paar Szenen gedreht haben. In Afrikas Hollywood entstanden hier berühmte Movies wie z.B. Lawrence von Arabien, Der Gladiator, James Bond 007 - Der Hauch des Todes, Die Mumie, Krieg der Sterne u.v.m.

Weiter geht‘s mit der Fahrt durchs Draa Tal mit anschließender Übernachtung im Gasthaus "Baha Baha" in N´kob. Das Tal, von dem wir nur ein sehr kleines Stück befahren, ist über 1.200 km lang und geht in einem riesigen Bogen bis hin zur Atlantikküste. In N´kob wollen wir eigentlich eine frische, knallgrüne Dattelpalmenoase anschauen. Aber: Es hat seit Monaten dort nicht mehr geregnet. Alles ist völlig trocken, die Kakteen sind ganz platt, die Palmen verdursten, von Datteln keine Spur. Im kleinen Ort sieht es ähnlich aus. Jungs spielen im Staub Fussball, es gibt viele schwarz verschleierte Frauen und alte Menschen. Es ist schwierig zu fotografieren. Viele Frauen sitzen abends am Strassenrand und unterhalten sich. Die Kinder betteln.

8.10.: Fahrt in die Wüste Merzouga, einem kleinen Teil der nördlichen Sahara, wo wir auf dem Weg eine alte Fossilienstätte, uralte Felszeichnungen auf knallheißen, abbröckelnden Steinplatten im Nirgendwo und eine Kamelmilchbar besuchen. Wir ergattern auf dem Weg auch noch eine leckere Mesfouna, eine traditionelle Saharapizza. Kamelmilch wird allerdings nicht unser Getränk No. 1 auf dieser Welt werden.

Unterwegs beobachten wir aus der Ferne eine riesige Solaranlage mit Namen "Noor", die leider nicht zu besuchen ist. Zigtausende von riesigen Solarplatten alle in derselben Richtung ausgerichtet. Gespenstisch sind auf jeden Fall die von den Reflektoren am hohen Solarturmkraftwerk gesamten Sonnenstrahlen an einem Punkt mitten im Himmel. Sehr unwirklich und wundersam. Sieht aus wie in einem Science Fiction-Film! Und echt schwer, diesen Lichtpunkt auf die fotografische Platte zu bannen. Marokko nutzt die Solarkraft, um sich von fossilen Energien zu befreien. Auf einer Fläche von 3.000 Hektar ist in den letzten Jahren einer der größten Solarkomplexe der Welt entstanden.

Die nächsten zwei Nächte verbringen wir im 4-Sterne Wüstencamp "Ali and Saras Desert Palace" von der sehr sympathischen Sarah aus England - zwischen hohen rot-orangenen Sanddünen gelegen.

Natürlich machen wir zu Fuß einige Sandfotos und -filmtouren, um die Dünen und die Abendstimmung einzufangen. Plus die Milchstraße selbstverständlich. Luftverschmutzung ist hier gleich Null. Störende Lichter gibt‘s auch keine. Die Sterne sieht man bis zum Horizontrand runter. Es ist wirklich fantastisch, dort auf dem warmen Untergrund zu sitzen und alles zu genießen. Andrea möchte nun doch einmal auf einem Kamel reiten. Es will, bzw. wie sich etwas später herausstellt, kann zuerst nicht aufstehen, weil es sich falsch hingesetzt hat. Dann aber doch und Andrea wankt gemächlichen (Kamel)Schrittes auf dem Grad der Dünen entlang. Wie im Film "Lawrence von Arabien". Sieht echt witzig aus. Sie fällt nicht herunter, ist aber zum Schluss wohl froh, wieder auf ihren eigenen zwei Beinen zu stehen bzw. zu laufen. Also: So eine Wüste ist echt schon etwas Besonderes! Was ein Segen hat die Regierung die unsäglichen Buggy-Rasereien durch die Dünen verboten. So werden wir nicht von solchen Maschinen gestört. Menschen sehen wir ansonsten keine. Nur Sand.

9.10.: Heute gehen wir auf Jeep-Exkursion zu den Nomaden der Wüste und erleben, wie diese in der Sahara wohnen und leben. Wir wissen nicht, ob wir traurig sein sollen angesichts dessen, was wir sehen und erleben - oder akzeptieren, dass sie tun, was und wie sie es möchten. Oder nochmals anders: Einfach akzeptieren, wie es ist. Ob sie zufrieden und glücklich sind, finden wir jedoch nicht heraus. Wir sehen auf einer unendlich weiten, staubtrockenen und knallheißen Steppenebene ohne Bäume oder sonstiges Grün (die Sahara besteht offensichtlich nicht nur aus Dünen!) drei Lehmhütten bzw. Zelte, eine hochschwangere Frau in Schwarz, die wie mindestens 45 aussieht (aber erst 27 Jahre alt ist), ein junges Mädchen und zwei ständig hustende Kinder. Noch hier: 11 weitere Kinder, die irgendwie unsichtbar sind. Der drei zugehörigen Männer sind unterwegs. Viel besitzen sie nicht. Wir werden sehr freundlich empfangen, man bereitet gemeinsam ein nomadentypisches Essen für uns vor und lässt Andrea sogar im Detail alles fotografieren. Sie erzählen uns, dass sie regelmäßig umziehen und zwar immer in Richtung der Regionen, wo es irgendwie Wasser gibt. Nur Wasser haben wir heute hier gar nicht gesehen. Ein Tag inmitten der weiten Wüste Merzouga. Sehr nachdenklich verlassen wir später diesen Ort.

Zurück im Wüstencamp gibt es abends ein Dinner auf Sandboden samt Lagerfeuer und spannender Trommelmusik. Wir wollen nicht ins Bett gehen, weil es so schön ist. Über uns wölbt sich ein tiefschwarzer mit Sternen übersäter Himmel. Die Musik in Marokko ist übrigens von zahlreichen Einflüssen geprägt: Von den Tuareg, den Berbern, aus Andalusien, Arabien und Marokko selbst. Eine wüste Mischung. Die Gambri kommt dabei oft zum Einsatz und ist eine ungewöhnliche, marokkanische Gitarre, mit der sog. Gnawa-Musik gemacht wird. Hör sie Dir mal an!

 

10.10: Um noch mehr Zeit in der Sahara zu verbringen, schlafen wir die letzte Nacht in einem Hotel mit Pool namens "Riad Azawad" am Rand der Dünen der Sahara. Die Sonne ist heute dunstig mit Schleierhimmel. Es ist heiß. Schwarze Kamele trinken neben unserem Hotel jede Menge Wasser. Die Kameltreiber laufen nicht etwa zu Fuß, sondern benutzen dazu uralte, verrostete Fahrräder. Wir nehmen das Auto und fahren noch einmal in die kleine Nomadenstadt Rissani. Dort gibt‘s auch einen Berbermarkt. Ein einziges Gewimmel von Menschen und Tieren. Die Händler schreien und werben um ihre Waren. Hunderte Kilogramm unterschiedlichster Datteln, alle in der Hitze schön aufgetürmt. Sie kleben, was das Zeug hält. Hauptspeise der Marokkaner ist übrigens "Tajine". In runden Steinguttöpfen mit Deckel gegartes bzw. gebratenes Huhn, Fleisch, Klopse mit viel Gemüse und Sosse. In x Versionen. Dazu das obligatorische Fladenbrot und der allgegenwärtige zuckersüße, heiße Minztee. Plus sog. "Nougat". Kein Nougat, wie wir es mögen in Deutschland, sondern etwas Festes, Klebriges, 99 % Zucker-haltiges Etwas, was einem die letzten Zähne zieht. Bunt und in diversen Sorten zu haben. Grausig!!

11.10.: Es folgt heute eine achtstündige, 600 km lange Weiterfahrt über die Berge, wo die freilebenden Berber-Affen im Wald wohnen, in Richtung Fez. Hier übernachten wir die nächsten drei Nächte im Riad "Dar Saida" mitten in der ältesten Medina Marokkos mit über 250 Moscheen. Regelmäßig und mehr oder weniger gleichzeitig rufen die Imams per Lautsprecher von hoch oben in den Moscheen 5 mal am Tag. Laut und schrill. 1,5 Millionen Einwohner leben in Fez.

12.10.: Wir machen eine Tour durch diese Stadt und ihre Umgebung. Zu Fuß natürlich. Wir haben einen waschechten Ur-Marokkaner als unseren dort wohlbekannten Stadtführer: Nejib. Er zeigt uns gefühlt Hunderte von verschiedenen Handwerksbetrieben (von der Mosaikfabrik über eine große Ledergerberei und -färberei bis hin zur Kupfer-Pottery), Gassen, steile Treppen mit hohen Stufen und kleine Kneipen. Es geht ständig hoch und runter wie im portugiesischen Lissabon. Wir kommen ins Schwitzen. Abends wissen wir, was und wie wir gelaufen sind. Umhüllt mit einem weiten, weißen Gewand wandelt Nejib wie eine Art "Jesus" vor uns durch die Medina. Er hat immer ein Art Mini-Buch dabei, in dem er wohl Adressen und Telefonnummern notiert. Mit einer krakeligen Handschrift auf arabisch hineingekritzelt. "Ich bin ein Berbermann" teilt er uns mit und bedeutet damit, wo wir seine marokkanische Herkunft wohl einordnen sollten. Im Nachhinein müssen wir feststellen, dass diese Stadt von seiner Medina doch am meisten begeistert hat. Es geht hier etwas ruhiger und irgendwie geordneter zu. Ein wenig sauberer so scheint es, aber genauso viele Katzen wie in Marrakesch gibt es auch hier. Überall sitzen die Menschen, meist Männer.

13.10.: Heute ist wieder Medina-Tour-Tag durch die rund 10.000 Gassen (das ist nicht übertrieben!) von Fez. Wir haben noch mal die Möglichkeit, uns all das anzuschauen, wozu wir am Vortag keine Zeit zu hatten: Vollgepackte Esel, schwer beladene Mulis und rumpelnde, wackelige und übervolle Holzkarren, wohin man auch blickt. Autos oder Lastwagen passen nicht in und durch die sehr engen Gassen, nur stinkende Mopeds und Fahrräder. Es gibt so gut wie keine Fenster in den teilweise uralten Gebäuden mit sehr niedrigen Eingängen. Einer der handwerklich hochbegabten Handwerker webt Brokatgewänder für Hochzeiten mit sog. "Kaktusseide", die superteuer und selten sein soll. Eine solche jedoch gibt es gar nicht auf der Welt. Es ist eher Rayon, Viskosefäden. Er benutzt gleichzeitig übrigens 3.200 Fäden für ein gewebtes Hochzeitskleid. Wir lernen viel über Berberteppiche. Der Verkäufer lässt uns nicht mehr gehen. Fast alles wird hier von der marokkanischen Polizei kontrolliert. So brauchen Einwohner eine gesonderte Erlaubnis, mit einem Europäer spazieren zu gehen oder an einem Tisch zu sitzen. Wein und Bier darf in der Medina draußen offiziell nicht ausgeschenkt werden. Wir stellen fest, dass sich nicht jeder Wirt daranhält.

14.10.: Wir machen uns auf in nördliche Richtung zur "blauen Stadt" Chefchauoen durch die grünen Landschaften des Landes. Zwischenstopps gibt es bei der alten Römerstätte Volubilis und dem ältesten (und übelsten) Gefängnis in Meknes.

Dass wir hier in Marokkos die Römer antreffen, haben wir nicht erwartet. Volubilis gehört zu den am besten erhaltenen in ganz Afrika und wurde 1997 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Sie war Hauptstadt und Verwaltungszentrum der Provinz Mauretania Tingitana. In der fruchtbaren Region wurden Korn und Olivenöl produziert und nach Rom exportiert. Dies brachte der Stadt einen großen Wohlstand. Außerdem wurden Wildtiere wie Löwen, Leoparden und Elefanten gefangen, um in den Arenen Roms die Zuschauer zu unterhalten. Insgesamt wurden vier Villen mit atemberaubend schönen Mosaiken in Volubilis gefunden.

Das mysteriöse, unterirdische Gefängnis von Meknes ist das wohl einzige Gefängnis, das keine Tür in die Außenwelt hat. Hunderte von Menschen haben es betreten und Niemand konnte es verlassen. Es wird gesagt, dass die Geometrie des Gefängnisses in Form von Fluren und Labyrinthen sehr komplex ist. Jede Halle hat mehrere Korridore, wobei jeder Korridor zu einer anderen Halle führt. "Es gibt diejenigen, die sagen, dass es die Größe der Stadt Meknes hat, und es gibt diejenigen, die sagen, dass es sich über mehrere zehn Kilometer unter der Erde erstreckt und vielleicht das einzige Gefängnis der Welt ist, dass keine Tür hat. Also, wie betreten Gefangene es?" Es enthält mehrere Löcher in der Decke zur Aussenwelt, in die Gefangene geworfen wurden, und auch die Lebensmittel gelangten auf diese Weise hinunter. Einer der Versuche, dieses Gefängnis zu erforschen, wurde von einer Gruppe französischer Entdecker in den 1990er Jahren unternommen. Das Ergebnis war tragisch. Das Team verschwand und ihr Schicksal ist bis heute unbekannt. Das Gefängnis ist mit Zement versiegelt und für Besucher und Touristen ist nur ein ganz kleiner Teil zugänglich. Unheimlich ist es hier.

In Chefchauen übernachten wir im Gasthaus "Dar Zamra" und essen dort zu Abend.

15.10.: Gemütlich schlendern wir stundenlang durch das romantische Örtchen - an einem Berghang gelegen - und haben dadurch genügend Zeit, um die gesamte Medina in ihren verschiedenen Blautönen fotografieren. Ein kleines Erlebnis ist das schon. Etwas später erfahren wir, dass die Einwohner sich entschlossen haben, ihre Stadt komplett weiß zu streichen. Die Touristen werden es in Zukunft wohl nicht so toll finden, denken wir. Denn so verliert dieses Bergstädtchen das Besondere und Außergewöhnliche.

16.10.: Auch ein Besuch in Rabat, der Hauptstadt Marokkos, darf natürlich nicht fehlen. Allerdings sind wir schon sehr enttäuscht, denn sowohl der Königspalast als auch die berühmten Ruinen der Almohaden Moschee mit dem sog. Hassan Tower sind wegen Corona geschlossen. Dafür geniessen wir am Strand auf einem alten Segelschiff ein vorzügliches Dinner und übernachten dann im Riad namens "Merhaba".

17. bis 19.10.: Die nächsten zweieinhalb Tage verbringen wir in Essaouira am Atlantik im Westen Marokkos, wo wir die Medina, den Hafen und den einsamen Strand für viele Eindrücke und Aufnahmen erkunden. Wir übernachten hier im ruhigen Riad "Baladin" in der wirklich allerletzten verwinkelten Gasse der Altstadt.

Wir befinden uns wieder an einem Game of Thrones-Drehort: Eine kleine Burg oder so etwas Ähnliches, eine lange Burgmauer mit richtig vielen eisernen Kanonen (die im Film allerdings elegant umbaut bzw. abgedeckt sind), ein davor liegender Gang, auf dem man lustwandeln kann und dann der nicht ganz kleine Hafenkai vor dem traumhaften romantischen, quadratischen Wehrturm, auf der die Drachenkönigin und ihr männlicher Verehrer und Beschützer des Abends langsam entlanggeschlendert sind. Was für eine Kulisse, die wir natürlich auch gleich einmal nachempfinden wollen (und dies auch tun). Und die Sonnenuntergänge hier haben es in sich. Röter und orangefarbener geht es nicht mehr!

Überhaupt gefällt uns dieses Meeresstädtchen echt super gut. Es versprüht eine gewisse Ruhe und Gelassenheit. Es gibt viel Kreatives und Künstlerisches zu sehen, Futtern kann man auch prima. Der wirklich große, von Tausenden von Seevögeln umschwärmten Fischereihafen ist total spannend, man kann traumhaft frisch gefangenen, gegrillten Fisch essen. Ein Mann erzählt stolz in der benachbarten Schiffswerft von dem großen Holzschiff, welches er gerade zusammen mit seinen Kollegen baut. Er wohnt in einer ehemaligen winzig kleinen, halbverfallenen Holzschiffskajüte direkt neben dem Schiffsbauwerk. Abends kann man auf dem großen Hafenplatz sitzen, marokkanischen Musikklängen lauschen und ein Bier trinken. Total romantisch und gemütlich. Hier könnten wir noch länger bleiben.

20.10.: Heute schlurfen wir ein letztes Mal durch die Medina, erkunden den einsamen Strand und ergattern einen Snack an einem der Streetfood-Läden. Rückfahrt am Spätnachmittag zurück nach Marrakesch wieder ins schöne Riad R.K. Mit genügend Zeit, wieder durch diese unendlich interessante, farbige Altstadt von Marrakesch und die Neustadt zu schlendern, um noch mal alles richtig zu sehen und aufzunehmen. Abends von oben den großen, zentralen Platz namens Djemaa el Fna beobachten, wo es Hunderte von Marktständen gibt und alles unglaublich bunt aussieht. Der Platz der Gehängten - auch Platz der Gaukler genannt - ist Marrakeschs pulsierendes Zentrum und vermutlich einer der bekanntesten Plätze in ganz Afrika. Hier schlägt das Herz dieser Stadt. Jeder kennt ihn.  Ein Sprichwort besagt: "Hast Du einen Tag in Marokko, verbringe ihn in Marrakesch. Hast Du nur eine Stunde, verbringe sie auf dem Djemmaa el Fna!". 10 Uhr morgens: Das bunte Treiben beginnt. Während tagsüber in der Mittagshitze die Stimmung noch gedämpft ist und die Fußgänger gemächlich durch die Gassen der Souks irren, gewinnt das Leben zum Sonnenuntergang an Tempo. Die Stimmen, Trommeln und rhythmischen Klänge werden lauter. Dann strömen tausende Marrakechi zum Treffpunkt der Stadt. Hunderte Köche haben mittlerweile ihre Grills aufgebaut. Deren Rauchschwaden vernebeln die Sicht. An den unzähligen Imbissständen gibt es nicht nur erstklassiges, sondern für uns außergewöhnliches Essen: Außer Kebab, Fisch, Gemüse und gegrillten Spießen gibt es Schnecken und auch gegrillte Schafsköpfe. Bei den zahlreich vorhandenen Obsthändlern werden frisch ausgepresste und superleckere Säfte aus Orangen, Granatapfel, Zitronen und Äpfeln in hypergroßen Bechern für ganz kleines Geld angeboten. Mein Gott wie gesund!

Am 21.10. gegen Mittag ist aber plötzlich Sense in und mit Marokko. Die letzten drei Tage in Marrakesch fallen für uns aus. Die tolle Ballonfahrt über den Dächern dieser quirligen Stadt wird gecancelt. Was ist geschehen? Die marokkanische Regierung hat ohne Vorankündigung zunächst über dunkle Kanäle, später dann auch offiziell mitgeteilt, dass ab Mitternacht keine Flüge mehr nach und von Deutschland in Richtung Marokko zugelassen seien. Und zwar ohne jegliche Begründung. Ganz toll! Das war‘s dann. Wir haben noch am selben Tag Glück gehabt und einen Ersatzflug über Brüssel nach München gebucht. Ein paar Stunden später waren alle möglichen Flüge nach Europa komplett ausgebucht. Beim Check-In in Marrakesch sind dann auch noch die Computer mehrere Stunden lang ausgefallen, so dass wir unsere Maschine gerade noch erreicht haben, aber den Weiterflug von Brüssel nach Deutschland nicht mehr. Ergebnis war eine kostenfreie Zwangsübernachtung mit Dinner im Airport-Hotel.

22.10. Endlich: Weiterflug nach München. Aufstehzeit: 03.30 Uhr frühmorgens. So haben wir uns das Ende dieser wunderschönen Fotoreise eigentlich nicht vorgestellt. Aber macht nichts. Wir sind gesund geblieben, wir haben tolle Erlebnisse und Eindrücke mitgebracht und Andrea hat jede Menge bestes Foto- und Filmmaterial im Gepäck. Die Arbeit zur neuen Multivisionsshow kann beginnen. Wir sind erschöpft, aber glücklich. Europa hat uns wieder.


Ich freue mich über deinen Kommentar!

Konversation wird geladen