KOLUMBIEN IST WIE EINE SCHACHTEL PRALINEN 2025 - Teil 1

Andrea
19.04.2025
Travel
Colombia

Vorschaubild_Teil_1.jpg


Kolumbien? Wer hat noch nicht von diesem Land gehört? Vor vielen Jahren waren es vor allem negative Nachrichten. Und das natürlich nicht zu Unrecht. Aber in den letzten 15 Jahren hat sich viel verändert und heute ist Kolumbien eines der faszinierendsten Reiseziele der Welt. Die Entwicklung, die Kolumbien durchgemacht hat, ist atemberaubend. Landschaftlich war es schon immer eines der vielfältigsten der Welt. Wo sonst kann man alle Klima- und Vegetationszonen der Erde in einem Land finden? Pulsierende Millionenstädte wie Bogota und Medellin, wunderschöne sanfte Hügel und Landschaften, beeindruckende Andengipfel, faszinierende Kolonialstädte, romantisch bunte Paisa-Dörfer wie Jericó oder Barichara in der Kaffeeregion, jahrhundertealte Kultur, skurrile Wüsten, abwechslungsreicher Amazonas-Regenwald, die höchsten Palmen der Welt. Tausende von Kilometern Küste und Zugang zu zwei Ozeanen, dem Pazifik und dem Atlantik, undurchdringlicher Dschungel, schneebedeckte Berge und die traumhaften, oft unberührten Strände an der Karibikküste. All das findet man hier. Da wollten wir für einen ganzen Monat nun auch mal hin. Quasi auf den Spuren von Simon Bolivar, Pablo Escobar und Alexander von Humboldt.
 
Wir sind ja fast schon zu Südamerika-Fans geworden, denn dieser (Halb)Kontinent beherbergt im Verhältnis die meisten Länder, die wir weltweit besucht haben  - mit Ausnahme von Europa natürlich. Venezuela (1990), Peru (2016), Bolivien (2018) und Argentinien & Chile (2023) waren bereits dort unsere Reiseziele.
Aber es fehlt an dieser Stelle noch etwas. Genau, die Kolumbianer selbst. Sie sind das eigentliche Highlight dieses Landes. Stets warmherzig, witzig und voller positiver Energie und Lebensfreude, verzaubern sie Gäste aus aller Welt. Die Kolumbianer wissen, wie man Ausländer willkommen heißt. Schon nach wenigen Tagen fühlt man sich in diesem Land nicht mehr wie ein Gast, sondern wie zu Hause. Aber um ehrlich zu sein, den typischen Kolumbianer gibt es gar nicht. Jede Region ist anders und hat ihre eigene Küche, Architektur, Geschichte, ihren eigenen Sprachakzent und ihre eigene Lebensweise. Was sie alle gemeinsam haben, ist, wie herzlich und positiv Gäste aus dem Ausland aufgenommen werden. So eine Eigenschaft täte manchem Deutschen auch sehr gut zu Gesicht stehen, finden wir.

Fast 4 Wochen sind wir im Januar/Februar in Kolumbien unterwegs. Zusammen mit Christian Schöttle, unserem Freund aus La Paz, der dort eine Reiseagentur sein eigen nennt. Ihn kennen wir bereits von unseren Reisen durch Peru und Bolivien. Er begleitet uns wieder als erfahrener Reiseplaner, -organisator und Guide. Wir fliegen von München mit der Air France über Paris nach Bogotá. Zurück gehts von Cartagena über Amsterdam nach München.
 
In Bogotá: Die Hauptstadt liegt auf 2.659 m Höhe und hat knapp 8 Mio. Einwohner. Es ist ein wenig kühl, aber dafür blauer Himmel. Irgendwie kommt uns das bekannt vor: Es geht hoch und runter, riesige Bordsteinkanten, große Schlaglöcher, uraltes Kopfsteinpflaster, man muss wirklich aufpassen, wohin man tritt. Bogotá ist wohl die Stadt Kolumbiens mit den meisten Graffitis. Ganze Hochhauswände sind mit wunderschönen Gemälden ausgestattet, aber auch kleine Häuser und Gebäude sind reichlich voll gemalt mit kunstvollen und superfarbigen Bildern. Und oft steckt dahinter eine geheimnisvolle Geschichte. Wir kommen aus dem Staunen überhaupt nicht mehr heraus. Offensichtlich hat man hier in dieser Stadt - im Gegensatz zu vielen anderen Orten auf dieser Welt - eine wunderbare Vereinbarung getroffen, die so aussieht, dass der jeweilige Künstler oder die Künstlerin mit dem Hauseigentümer sich vorher abstimmt, ob und was an seiner Hauswand gemalt werden kann oder soll. Und da ist es wurscht, ob das nun riesengroß oder eher klein ist. So etwas wäre wohl in Deutschland definitiv nicht möglich. Überhaupt ist die ganze Gegend im Stadtviertel "La Candelaria" fast wie eine künstlerische Oase mit Galerien, Museen und romantischen kleinen Plätzen zum Ausruhen, Genießen und um ein kühles Bier zu trinken. Wir sind von unserem ersten Tag in Kolumbien begeistert. Die Sonne scheint jetzt, es ist warm geworden. Am Spätnachmittag fahren wir dann noch mit einer Seilbahn auf einen kleinen Berg namens „Mt. Monserrate“ direkt vor den Toren Bogotas. Oben ankommen sind wir immerhin schon auf 3.170 m über dem Meeresspiegel gelandet.
 
Zwei Tage später fahren wir mit unserem weißen Van und Giovanni, unserem Fahrer, 380 km in Richtung Süden. Wir verlassen die Höhe und die Kurzatmigkeit ist weg. Und es wird so richtig warm. Bevor wir an unserem Tagesziel in Villavieja ankommen, wollen wir aber noch die Naturbrücke von Icononzo sehen, die über eine tiefe Schlucht entlangführt. "Natur" heißt hier, riesige Felsen bilden ohne des Menschen Hand einen Übergang. Irgendwann erreichen wir auf einem staubigen und engen Pfad die heißersehnte Brücke. So glauben wir jedenfalls. Es gibt sie tatsächlich, aber die Menschen haben über ihr noch eine richtige Brücke gebaut. Das ist die, auf die wir nun stehen. Die total einsam gelegene "Natur"brücke, die Alexander von Humboldt entdeckt hat, befindet sich weit unter ihr und erweist sich für unsere Drohne als zum Filmen ungeeignet. Sie führt über einen über 150 m tiefen, dunklen und viel zu schmalen Canyon, in dem wir nicht vollständig hineinsehen können. Schmetterlinge tanzen im spärlichen Sonnenlicht, ein Zauberwald. Von Touristen unentdeckt. Offensichtlich hat bis heute niemand diese Art Brücke von unten in ihrer vermuteten Schönheit fotografieren können. Wir allerdings auch nicht. Im Internet finden wir keine einzige echte Aufnahme von ihr. Matthias ist etwas enttäuscht, denn er hatte die Idee, den etwas mühseligen "Umweg" hierher zu nehmen. Aber probiert haben es trotzdem. Daher gibt es bei unseren Fotos ein kleines Gemälde von ihr, was wohl vor langer Zeit angefertigt wurde. Damit hat man zumindest einen kleinen Eindruck, wie sie wohl einmal aussah.
 



Lust auf Wüste? Hier im Süden Kolumbiens erlebst Du mal eine echt abgefahrene Wüstenlandschaft, die es nicht oft gibt auf der Welt. Zerfurchte canyonmäßige Mini-Schluchten und Sandsteinmonolithen prägen das Landschaftsbild. Die Tatacoa ist eine ca. 330 km² große Wüste. Die Durchschnittstemperatur beträgt hier über 28 °C. Ihr Name kommt übrigens von einer ursprünglich in der Wüste heimischen, aber inzwischen ausgerotteten Schlangenart. In der Abendsonne leuchten die verschiedenen phantasievollen Gebilde aus zusammengebackenem Lehm, Erde, Meeresablagerungen und Steinen in leuchtend rot, orange und braun. Dazwischen wie grüne Tupfer riesige Stabkakteen und flachgewachsene Akazienbäume. Es ist eine wunderschöne Atmosphäre. Wir wollen gar nicht wieder zurück ins Hotel.

Die Sonne scheint den Tag darauf nicht. Der Himmel ist grau, geschmückt mit weißen Wolken. Es ist schwül und drückend. Alles passend zu unserem nächsten Ziel, das wir wieder zurück in die Mitte des Landes erreichen: Armero. Ein Besuch in einem Pompeji der Neuzeit. Es ist wohl das größte Massengrab, durch das eine Schnellstraße führt. Mitten über einen apokalyptischen Friedhof. Vorbei an hunderten weißen Holzkreuzen mit dem immer selben Todesdatum. Die Tragödie ereignete sich nach dem Ausbruch des Vulkans Nevado del Ruiz am 13. November 1985. Der traf die umliegenden Orte vollkommen unvorbereitet. Als pyroklastische Ströme aus dem Krater des Vulkans ausbrachen, schmolzen sie die Gletscher des Bergs und schickten enorme Schlammlawinen die Hänge hinab. Sie nahmen in Schluchten an Geschwindigkeit zu und verschlangen die Stadt Armero in nicht mehr als 20 min., wobei mehr als 25.000 Einwohner starben. Die Folgen waren verheerend. Rund 85 % des Stadtgebiets wurde mit dickem, schwerem Schlamm überflutet, Straßen, Häuser und Brücken brutal zerstört. Die meisten Bewohner hatten keine Chance, zu entfliehen. Weil der Strom ausgefallen war, sahen die meisten nicht das Unglück kommen. Im Morgengrauen bot sich den Überlebenden ein Bild des Grauens.

Und dann auch noch die schreckliche Geschichte von dem Mädchen Omayra Sánchez. Die 13-jährige Schülerin steckte in einer meterhohen Pfütze fest, nur ihr Kopf ragte noch heraus. Helfer des Roten Kreuzes und Anwohner hatten immer wieder versucht, sie herauszuziehen, aber etwas unter dem Wasser hatte ihre Beine eingeklemmt, sodass sie sich nicht bewegen konnte. In der Zwischenzeit stieg das Wasser, das das Kind umgab, immer höher, was auf die anhaltenden Regenfälle zurückzuführen war. Eine Pumpe war nötig. Doch die fehlte. Keine Hilfsmaßnahme funktionierte. Kaum zu glauben. Wie furchtbar! 65 Stunden später verließen das Mädchen die letzten Kräfte. Rückwärts kippte sie in das kalte Wasser und starb. All das erzählt uns ein Überlebender der Katastrophe, der uns über bzw. durch die untergegangene Stadt führt. Oft stehen ihm die Tränen in den Augen .....

Vom Krankenhaus ragt heute nur noch das oberste Stockwerk aus der Erde. Fledermäuse fliegen durch die Ruine. In der Kinderstation ist noch ein vergilbtes Wandbild von Schneewittchen und den 7 Zwergen zu sehen, an einer Ruine stehen mit schwarzer Schrift die Namen einstiger Bewohner. Überall stehen Kreuze, Bäume wuchern aus den Ruinen. Gespenstische Stille liegt über dem Ort, unterbrochen von vorbeidonnernden Lastwagen, Pkws und Bussen.

Nach diesem Schock sind wir auf dem Weg zu den höchsten Wachspalmen der Welt. Bis auf 3.340 m Höhe führt uns nach Verlassen der von LKWs übervölkerten Strasse eine Art sehr schlechter und schmaler Feldweg mit kleinen und großen Felsbrocken drauf, tiefen Schlaglöchern und immer knapp am Rande des Abgrunds durch den Dschungel, umrahmt von Bergen. Er ist noch nicht einmal bei Google Maps verzeichnet. Und das will echt was heißen. 60 km lang mit nicht mehr als einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 10 - 15 km/h. Das Ganze erinnert uns schwer an den Caminito del Morte im Norden Boliviens, die berühmte Todesstraße. Wo schon so viele Autos, Lastwagen und Busse Hunderte von Metern tief abgestürzt sind. Der Wind treibt die Wolken die Berge hoch und schafft eine mystische Stimmung. Wunderschön. Nach vielen schaukeligen Kilometern erreichen wir eine Region, in der wir Tausende riesiger Wachspalmen sehen. Ganze Berghänge sind voll davon. Die Dinger können bis zu 60 m hoch werden. Sie sehen wie dünne, lange runde Holzstecken aus, die in die Erde eingepflanzt wurden. Und oben gibt es dann ein paar Palmwedel. Diese Palmen stehen heutzutage unter Naturschutz. Insgesamt ist das hier eine super tolle Landschaft, Man kann sich in sie verlieben. Die hohen Palmen, leuchtendes Grün vom Gras, Eukalypusbäume, Hügel und Berge. Der Himmel und die Sonne tuen ihr Bestes, um es noch schöner zu machen.