In Salento: Allein das Wandeln durch die Gassen des bunten Städtchens macht gute Laune. Der Ort liegt fast 2.000 m über dem Meeresspiegel und ist von saftgrünen Berglandschaften umgeben. Die Menschen hier sind bekannt für ihre Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit. Jeder, der hierher reist, kommt natürlich auch wegen des Valle de Cocora hierher. Doch warum ist es so besonders? Es ist wohl die Kombination der satt-grünen Hügel, der Kuhweiden im Tal und im Hintergrund die riesigen Bergketten der Anden. Hinzu kommen die unzähligen Wachspalmen, die sich im kompletten Tal ausgebreitet haben. Eigentlich schöne Fotomotive. Wenn nicht die vielen Touristen gewesen wären. Alle waren gekommen, um die berühmten Palmen plus Umgebung zu sehen und zu fotografieren. Wir haben daher dort nur einen kurzen Stopp gemacht.
Weiter gehts nochmals ein wenig in Richtung Süden und nach kurzer holpriger Fahrt sind wir da: Unerforschtes Land. Es gibt hier ein verborgenes Juwel in einem unerwarteten Paradies. Umgeben von den gewaltigen Zentral-Anden, hundertjährigen Bäumen, Gärten und Bauernhöfen ist die Hacienda Bambusa eine Oase der Ruhe und Entspannung. Einfach eine Naturschönheit. Das Haus in der Hacienda ist aus Bambus und Lehm gebaut und bewahrt den traditionellen Architekturstil der kolumbianischen Kaffeeregion. Wirklich riesige Bambuswälder, traumhaft alte ausladende Bäume, Kaffeesträucher ohne Ende, Papaya-Bäume, Bananenpalmen, Zitronenbäume. Ein Füllhorn der Natur. Und dann noch die vielen Vögel. Allen voran ungeheuer viele süße Kolibris in den schillerndsten Farben. Alles flattert, surrt und fliegt durcheinander. Was für ein Erlebnis und Glück.
Am sehr frühen Morgen geht’s zu einer Heißluftballonfahrt. Leute, näher kann man dem Himmel kommen mit einem Flugzeug, aber mit einem Ballon ist man im Himmel. So schön, diese wunderbare grüne Landschaft von oben zu sehen. Und eine himmlische Ruhe in dieser Höhe - nur unterbrochen von den heißen Flammen des Ballonbrenners. Man darf ihm in dem kleine Vier-Mann-Korb nicht zu nahe kommen. Sonst schmelzen einem die Haare weg.
Unter uns diese riesigen Bambuswälder (spanisch: Guada). Sie wachsen überall in den gemäßigten Regionen der Anden. Bis zu 15 m hoch und richtig dicke Stämme. Tagsüber sammelt der Bambus das Wasser aus der Umgebung und nachts gibt er es wieder an die Umgebung ab und trocknet so aus, bis zum nächsten Tag
Wir besuchen nach der Hacienda zwei schöne Dörfer im sog. Kaffeedreieck, dem eje cafetál. Das erste heißt Filandia. Als wir dort durch die engen Gassen unter bunt bemalten Holzbalkonen schlendern, die mit Körben voller frischer Blumen geschmückt sind, wird schnell klar, warum das Städtchen als eine der hübschesten Orte in den westlichen kolumbianischen Anden gilt. Filandia liegt auf einem Hügel mit Panoramablick auf die Landschaften der Kaffeeregion und vereint charmante traditionelle Architektur, üppige Natur und eine reiche Kaffeekultur. Von der Plaza, die von einer regenbogenartigen Kollektion klassischer Geländewagen gesäumt wird, bis hin zu den freundlichen Bauern, die in die Stadt kommen, um ihre aromatische Ernte zu verkaufen, verkörpert Filandia die Essenz der Kaffee-Kulturlandschaft und ist eine ideale Möglichkeit, die Besonderheiten, die Architektur und die Traditionen dieses Gebietes kennenzulernen. Und als letztes steht dann noch das nicht minder hübsche Marsella auf dem Programm. Die Kaffeezone Kolumbiens ist übrigens eine der schönsten Regionen des Landes. Und wir mitten drin. Hochlandkaffee aus Kolumbien ist zu einem Inbegriff von Qualität weltweit geworden. Ein reiches, rundes Aroma, eine gute Fülle und Spuren von leicht süßlichen Nussaromen, das sind die Eigenschaften, die den hochwertigen, kolumbianischen Arabica-Kaffee auszeichnen. Er gehört zu den wenigen sortenreinen Kaffees, die international verkauft und vermarktet werden.
Heute geht es zu den Paramo-Gebieten und den Hochmooren in den kolumbianischen Anden. Auf 4.000 m Höhe fällt das Atmen im Nationalpark Los Nevados mal wieder schwer. Wir fahren bis an den unteren felsigen und kargen Rand des unheimlichen Vulkans mit dem Namen Nevado del Ruiz, der den Ort am Amero vor 40 Jahren verschluckt hat. Aber
der Besuch in dieser mystischen Gegend lohnt sich. Nebel und dicke Wolken hängen in der Landschaft. Man trifft hier auf eine ganz besondere Vegetationsform: den Páramo. Eine wunderbare Steppenlandschaft, die geprägt ist von Gräsern, Hochlandkräutern und besonderen Pflanzen, die nur hier wachsen: Die Frailejones. Páramos sind wie Schwämme. Die Landschaft hier wird häufig von Wolken durchzogen und die Vegetation ist darauf ausgerichtet, das durchziehende Wasser aufzunehmen.
Die Frailejones (sprich Freilehones): Eine mannshohe Pflanze, die zum Kuscheln einlädt. Denn ihre dicken Blätter sind mit so vielen weichen Haaren durchzogen, die sind flauschig. Das kann man sich nicht vorstellen. Wenn man sie ansieht, könnte man denken, die Blätter des Freilejones wären rau. Aber dann berührst du sie und ooooh! In Perwoll gewaschen?!?
„Frailejones“ heißt großer Mönch. Durch ihre mannshohe Größe und Statur sieht eine nebelige Paramo-Landschaft so aus, als würden dort lauter Mönche stehen. So kamen die Pflanzen zu ihrem Namen. Die Pflanze wächst nur etwa 1 cm pro Jahr. Über die Jahre bildet sie einen dicken Stumpf, der ihr die typische Form gibt. Die toten unteren Blätter bleiben an der Pflanze hängen und bilden so eine natürliche Winterjacke, die man im Páramo unbedingt braucht, wo es nachts auch mal Minusgrade haben kann. Die bedrohten Frailejones haben übrigens eine super wichtige Aufgabe: Sie nehmen die Feuchtigkeit aus den vorbeiziehenden Wolken auf und geben das überschüssige Wasser wieder über die Wurzeln an die Erde ab. Sie tragen damit einen wichtigen Teil zur Bildung und Erhaltung des Wasservorkommen bei.
Auf der Strecke nach Medellin besuchen wir ein kleines Dörfchen in den Bergen: Jericó. Bunt bemalte Häuser, Männer mit traditionellen Sombreros der Paisas, die Kaffeebauern Kolumbiens, und ortseigene kulinarische Spezialitäten. Die Einwohner haben ihre Häuserfassaden akribisch bemalt, einige sind blau-pink, andere grün-gelb. Die Einwohner mögen es offenbar gleichzeitig bunt und ordentlich. Jericó wirkt so, als hätte es sich herausgeputzt für Touristen - das hat das Dorf aber nicht. Im 12.000-Einwohner-Ort fließt das Leben gemütlich vor sich hin. Von den wenigen Besuchern, die Jericó entdecken, zeigen sich die Einwohner unbeeindruckt. Man wird gegrüßt, als gehöre man dazu. Dass es der Ort noch nicht in den über 380 Seiten starken deutschen Lonely-Planet-Reiseführer über Kolumbien geschafft hat, liegt wahrscheinlich daran, dass der 50 km entfernte Nachbarort Jardín sich selbst schon vor längerer Zeit zum „schönsten Dorf Kolumbiens“ ernannt hat und die Touristenmassen anzieht. In Jericó hat man solche Angebereien nicht nötig und trinkt stattdessen lieber eine Tasse Tinto, schwarz aufgebrühten Kaffee, auf dem Marktplatz und lässt die Besucher die Schönheit der Kleinstadt ganz in Ruhe selbst erkunden.
An der wie immer zentralen Plaza treffen wir Kiro, den Fahrradmechaniker und Camillo, den Kaffeebauer. Zwei waschechte, schon etwas ältere Kolumbianer, die draußen vor einem Café sitzen. Andrea und ich verstehen kein Wort, was sie sagen, aber sie sind unfassbar freundlich, lassen sich gerne fotografieren und laden uns schließlich ein, zusammen mit Christian an ihrem kleinen Tisch Platz zu nehmen. Wir trinken gemeinsam ein Tässchen leckeren Tinto. Was ein Glück, dass Christian so gut Spanisch kann. So kommen wir mit ihnen ins Gespräch und Andrea macht dabei wahrscheinlich die beste Portraitaufnahme dieser Reise. Danach geht es für uns zu einem kleinen, romantischen Lunch. Für Jeden ein Pizzadreieck frisch zubereitet und extrem schmackhaft. Und dann erst der Nachtisch! Das stadteigene Dessert „El Postre Jeriocoano“ bereitet die Familie von Roberto Ojalvo schon seit über einem Jahrhundert zu. Es wird in der kleinen Pizzeria de José verkauft und schmeckt wie ein saftiger, tropischer Weihnachtsstollen. „El postre jeriocoano“ besteht aus sieben verschiedenen Kuchen-Lagen, in denen u.a. Papaya, Kokosnuss, Arequipe, eine Creme aus karamelisierter Milch, und Ananas vertreten sind. Außerdem ist es in Wein und Rum eingelegt.
Wir stellen fest: Jericó ist unser Stern am Himmel von allen Paisadörfern im Kaffeedreieck. Sauber, natürlich, freundlich, super-farbig, menschlich, untouristisch - einfach ein Wohlfühldorf. Gut, dass noch nicht so viele Touristen dieses Juwel entdeckt haben.
Am nächsten Vormittag schauen wir uns das Stadtzentrum von Medellin an und müssen schnell feststellen, was das hier für ein riesiger, quirliger und lauter Ort ist. Voller Mopeds, Autos, Taxis, Busse, Tuktuks, schreiender Strassenverkäufer, kleinster, kleiner und großer Shops, Hochhäuser. Gerüche überall. Eine Lautstärke. Ein ungeheures Durcheinander. Und jeder Menge offensichtlich Drogensüchtiger, Obdachloser und aus dem Müll sammelnder Menschen, jung oder alt. Die Stadt wird heftig von Drogen heimgesucht. Junkies besuchen Hunderte von Verkaufsstellen in Kolumbiens zweitgrößter Stadt, die zum Epizentrum des inländischen Drogenhandels geworden ist. Noch nie wurde so viel Kokain konsumiert wie heute. Was für eine Stadt!
Nach ein paar Avocados, einer Art Berliner und drei Tintos verlassen wir das Zentrum mit dem Taxi. Auf dem Programm steht die Comuna 13 mit massenhaft Streetart und Graffitis im einst gefährlichsten Viertel von Medellin. Sie galt lange als ein No-Go Bereich. Noch vor wenigen Jahren flogen hier die Kugeln zwischen der Polizei und Angehörigen der Guerilla bzw. der Drogenbanden hin und her. Insbesondere das Medellín-Kartell, das spätestens seit dem Serien-TV-Hit "Narcos" jedem ein Begriff ist, war mitverantwortlich für viel Gewalt. Doch in den letzten Jahren wandelte sich die Comuna 13 stark. Vom ehemaligen gefährlichsten Viertel ist sie zu einer der größten Sehenswürdigkeiten in Kolumbien geworden. Der Stadtteil befindet sich größtenteils an steilen Hängen und die kleinen Häuser schmiegen sich dicht an dicht aneinander. Wir unternehmen eine anstrengende, „steile“ Treppen-Tour in die Comuna 13, um die bunten Graffitis zu bestaunen und mehr über den Wandel des Viertels zu erfahren. Heute leben dort sage und schreibe 170.000 Menschen!
Wir erfahren, dass die Comuna 13 noch heute von Drogendealern beherrscht wird. Gewalt und Tod geschehen noch immer. Die Dealer haben ihre festen Bezirke. Aufgeteilt untereinander wie ein Schachbrett. Wer die Grenze überschreitet, der nicht in das entsprechende Quadrat gehört, wird erschossen. Die Menschen leben also heute noch in Angst. Eine zweigeteilte Welt. Vorne die Touristen, Musik und Verkaufsstände. Und hinten, die Einwohner in einfachsten wellblechbedeckten Gebäuden. Wir sind eine Nebengasse hinunter gelaufen und stellen uns danach die Frage, ob ein Besuch nicht moralisch verwerflich ist. Für die Bewohner dieses Stadtviertels ist das, was wir als Attraktion besuchen, jedoch realer Alltag und sicherlich eine ständige Herausforderung für ihr Leben. Der heutige Tag geht daher mit gemischten Gefühlen in unserem Herzen zu Ende.