KOLUMBIEN IST WIE EINE SCHACHTEL PRALINEN 2025 - Teil 3

Andrea
19.04.2025
Travel
Colombia

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Wir sind in Zipaquira etwas nördlich von Bogotá angekommen. Und besuchen eine Kathedrale, die unterirdisch in einem früheren Salzbergwerk errichtet wurde. Schmale Gänge und gigantische Hallen wechseln sich auf dem unheimlichen Kreuzweg ab, die Höhenluft der Anden sorgt auch unter der Erde für Kurzatmigkeit, die fehlenden Fenster lassen uns eine gewisse Bedrückung spüren. Auch bei uns macht sich eine gewisse Sprachlosigkeit breit, die wir nicht völlig auf die Höhenluft schieben kann. Kreuze, Engel, Statuen - hinter jeder Biegung erwarten uns neue Überraschungen, deren einzige Gemeinsamkeit der Salzstein ist. Direkt nach dem Kreuzweg wartet das optische Highlight der Kathedrale, das riesige Hauptschiff mit einem über 16 m hohen, beleuchteten Kreuz. Es ist die größte Salzkathedrale der Welt. 30.000 Pilger besuchen pro Jahr diese Stätte. Unglaublich!

In Villa de Leyva: Vor dem Hoteleingang empfängt uns ein junger Mann. Er trägt in beiden Händen große Plastiktüten, in denen smaragdgrüne Fläschen und Plastikdöschen zu sehen sind. Christian fragt ihn auf Spanisch, was es denn mit dem Inhalt auf sich hat. Es handelt sich offensichtlich um eine sehr gesunde Creme, die aus Kokain, Marihuana und Arnika gemacht ist. Kurz und gut, wir kaufen solch eine kleine Plastikdose. Andrea kann es gar nicht abwarten und öffnet sie. Es riecht sehr lecker nach Pfefferminze und sie trägt die grüne Creme elegant auf ihre Haut auf. Christian ebenso. Beide sehen nun nach 5 Minuten bereits um 10 Jahre jünger aus. Matthias muss sich noch überlegen, ob er auf diese Weise sein Alter auf unter 50 Jahre senken kann. Er kommt zu dem Schluss, dass er dafür wohl mehr als ein Plastikdöschen benötigt ....

Kein Weg führt an der Plaza Mayor in Villa de Leyva vorbei. Mit Maßen von etwa 120 mal 120 m ist sie einer der größten offenen Plätze in Lateinamerika. Die riesengroße, quadratisch angelegte Plaza - umrahmt von weißen Häusern - bringt uns auf die Idee, sie von weit oben mit der Drohne einzufangen. Blöd nur, dass an der Ecke ein Polizeiwagen steht. Da wir immer noch keine Lizenz für Kolumbien haben, würden wir eigentlich illegal fliegen. Kurz und gut, wir beschließen, den Polizisten zu fragen, ob wir fliegen dürfen. Christian geht hin und fragt. Die Antwort ist wie nicht anders zu erwarten ein klares Nein. Doch in der Zwischenzeit sitzen wir bereits auf einer weit entfernten Bank vor der Kirche und Andrea startet doch die Drohne, fliegt kurz auf 250 m und filmt dabei die Plaza. Geschah wohl mit göttlichem Segen. Nix passiert.

Zwischen den Hügeln der Region Santander befindet sich das gemütliche, verschlafene Städtchen Barichara. Schon der Name klingt wie Musik in den Ohren. Der Ort ist ein echtes, koloniales Kleinod im Herzen von Kolumbien, der einen so schnell nicht mehr loslässt. Der einzigartige und magische Charme entsteht vor allem durch die mit großem Kopfstein gepflasterten Straßen und den malerischen Aussichten. Das malerische verträumte Barichara mit seinen bunten Türen und gemütlichen Gassen ist ein Ort zum Entspannen, Fotografieren und zum Energietanken, für die Weiterreise durch Kolumbien. Für Menschen wie uns, die auch gerne einmal abschalten und dem Großstadtleben und seiner intensiven Geräuschkulisse entfliehen wollen, ist dies der perfekte Platz.

Ab Mittag wird es so richtig heiß. Wir entschließen uns kurzerhand, mit einem TukTuk in ein kleines, ungefähr 10 km entferntes Dorf namens Guane zu fahren, besser gefahren zu werden. Zu dritt sitzen wir eng aneinander gekuschelt auf der Rückbank eines schwarz-pinkfarbenen Mopeds, Körperkontakt ist garantiert. Der Fahrer, ein junger Mann aus Venezuela, fährt uns sicher fast den gesamten Berg herunter und wir landen schließlich in dem sehr kleinen, aber sehr natürlichen Dorf Guane. Wir schauen uns die alten weiss gestrichenen Häuser an mit den noch älteren, roten Ziegeldächern und landen schließlich - wie kann es anders sein - in einem süßen Restaurant mit wunderschönem Ausblick. Man schaut von hier auf ein riesiges weites Tal. Unten fließt ein Fluss in Schlangenlinien, den wir morgen mit dem Auto noch überqueren werden. Es ist eine sehr intensive, ruhige Atmosphäre, obwohl dort viele kolumbianische Männer schon mehr als ein Bier getrunken haben und auch eine gewisse Musikuntermalung nicht zu überhören ist. Wir genießen das sehr und wollen gar nicht wieder weg.

Bevor wir am nächsten Tag aufbrechen, schauen wir uns noch „Taller de Pappel“ an. Dieses kleine familiengeführte Unternehmen stellt in Handarbeit ganz besonderes Papier aus Fasern des Ananasblattes und von Agaven her. Dieses feine, super schöne (teilweise mit Naturfarben gefärbte) Papier wird verwendet für Siebdruck, Lithografie, Bücher, Karten, Schachteln, Mobile, Lampen und noch Vieles mehr. Das es so etwas noch gibt!

 



Nach 5 Stunden Fahrt erreichen wir Barancabermeja. Es ist super feucht und heiß. Jetzt sind wir im subtropischen Teil Kolumbiens angekommen. Beim Abendspaziergang stossen wir auf ein leer stehendes großes Hotel. Der Security-Mensch, Luis Enrique Correño Gil, lädt uns ein, es von innen anzuschauen. Seit Jahren steht es leer. Früher ist hier die High Society abgestiegen, so sieht es auch aus. Er hat sich gefreut, mal wieder mit jemandem reden zu können. Und wir waren baff, dass ein solcher Besuch überhaupt möglich war. Die Sonne geht langsam unter und wir sind nur noch auf der Suche nach einem Bier. Und finden es auch in einem etwas dubiosen Viertel. Es dröhnt kolumbianische Musik aus einer benachbarten Diskothek. Wir freuen uns über das eiskalte Hopfennass. Die Wirtin in kurzem rotem Rock und verschwitzem T-Shirt fummelt in einer Ecke so etwas wie eine weiße Plastikdose heraus, geht zu Andrea und gibt ihr ein superkleines Papageienküken in die Hand. Total goldig. Barancabermeja ist übrigens umgeben von riesigen Ölraffinerien. Sie leuchten nachts wie eine ganze riesige Extra-Stadt. Sehr anders und sehr groß.

Am nächsten Tag am Anleger für die sog. Schnellboote: Eines davon soll uns nach El Banco bringen. 280 km auf dem Rio Magdalena. Wir begeben uns nun auf das authentische Reisen, so reisen hier eben die Kolumbianer. Gepäck aufs Dach und rein in die Konservendose mit zwei starken Außenbordmotoren und 17 Personen inklusive uns. Der Fluss ist der größte Kolumbiens. Ein riesig breiter brauner Fluss gesäumt mit Hütten von Fischern und unzähligen Reihern und Komoranen. Die Sitze sind aus Plastik und das Wasser aus Beton. Die Wärme und Luftfeuchtigkeit sorgt dafür, dass man sofort festklebt. Beine ausstrecken geht nicht. An abartigen Stellen hält das Boot an, Passagiere steigen aus, andere kommen hinzu. Klettern mühsam über Rucksäcke und Plastiktüten. Es ist ein Schnellboot, in Linkskurven wird Andrea nassgespritzt und in einer Rechtskurve Matthias. Es gibt kein Entrinnen. 7 Stunden im Boot und keine Toilette. Bloß Nix trinken. Trotzdem muss nach 3 Stunden am rettenden Ufer eine Toilette her. Kurze Zeit später legt das Boot in El Banco an. Endlich am Ziel!

Einen Tag später laufen wir frühmorgens durch Mompóx. Und es lohnt sich. Die Zeit ist hier stehengeblieben. Mompóx ist eine ruhiges, kleines Städtchen am Rio Magdalena. Der braun-grüne Fluss schiebt sich langsam an dem karibischen Ort voller weiss und knallgelb gestrichener Kolonialbauten im maurischen Baustil vorbei und auch ansonsten scheint hier alles ein wenig gelassener abzulaufen. Heute haben wir 37 °C. im Schatten. Wir fahren 300 km bis Santa Marta weiter in Richtung Norden. Eine große Stadt direkt am karibischen Ozean. Wir genießen einen wunderbaren Sonnenuntergang auf der Strandpromenade.

Die Kogi, ein indigener Volksstamm in Kolumbien. Wir haben sie besuchen dürfen. Auf einer Wanderung, die es in sich hatte. Insgesamt sind wir auf dem Weg zu ihnen nur 10 km gelaufen. Allerdings bei gefühlten über 40 °C. und immer steil und felsig/steinig bergauf. Durch eine Art tropischen Wald auf einem sehr holprigen Pfad. Immer wieder überholen uns Mopeds in höherer Geschwindigkeit. Sie haben es bequem und machen es irgendwie geschickter als die zwei deutschen Touristen Andrea und Matthias. Wir lernen einen Baum kennen, der von den Einheimischen „Englischer Tourist“ genannt wird. Deswegen, weil er sich nach intensiver Sonneneinstrahlung knallrot am Stamm und Ästen färbt. Er wird aber auch „Baum, an dem die Affen runterrutschen“ genannt. Wir schwitzen ohne Ende, haben rote Gesichter und sämtliche Kleidung klebt an unseren Körpern! Irgendwann kommen wir ganz oben auf dem Berg an und sehen das Kogi-Dorf.

Sie leben in den Bergen an der kolumbianischen Karibikküste. Ihre Kultur gilt als letztes Relikt der südamerikanischen Hochkulturen vor der Kolonisation. Die Sierra Nevada de Santa Marta ist für sie das Zentrum des Universums, das Herz der Erde, aus dem alles Leben entstanden ist. Wenn das Herz stirbt, stirbt auch die Erde - so sagen die Kogi. Im ihrem Verständnis ist die Welt ein lebender Organismus: Die Seen sind Augen, die Flüsse Adern, der Wind und Steine lebende Objekte. So wie beim menschlichen Körper alles verbunden ist, ist auch in der Natur alles mit allem verbunden. Folglich muss für alles, was aus der Natur genommen wird, diese um Erlaubnis gebeten werden. Um die Welt im Gleichgewicht zu halten, verrichten die Kogi Rituale und Gebete an für sie heiligen Plätzen in der Natur. Heilige Plätze können beispielsweise Berggipfel, Gletscherseen, Flussmündungen oder auch Felsen sein. Doch die Rituale und Gebete wirken aufgrund des immensen Raubbaus an der Natur weltweit und dem damit entstehenden Ungleichgewicht immer schlechter. Das Klima und die natürlichen Kreisläufe der Ökosysteme verändern sich zusehends - auch dort, wo die Kogi leben.  So treten deshalb einzelne Vertreter der Kogi an Personen heran, die ihr Verständnis der Welt weiter verbreiten sollen. Dabei sehen sich die Kogi als die "älteren Brüder" und die restliche Menschheit als die "jüngeren Brüder", denen es ihre Denkweise und ihre Philosophie gegenüber der Natur zu übermitteln gilt.

Frauen spielen in der Hierarchie des Dorfes der Kogi leider keine Rolle. Sie bekommen schon als sehr junge Mädchen Kinder, erziehen sie und schlafen auf harten Matten auf dem Boden, während die Männer in Hängematten nächtigen. Es ist ein rein patriarchales Leben. Als Frau dort zu leben ist, wohl kein Vergnügen.

Jetzt aber wieder wir: In der glühenden feuchten Hitze den ganzen holprigen und steilen Weg wieder runter. Wir haben inzwischen Plattfüsse, die Fusssohlen, Waden, Knie und Oberschenkel schmerzen. Was für eine Tour! Es fühlt sich an, als hätten wir beide einen Hitzschlag bekommen. Aber wir schaffen es und sind am Ende stolz auf uns. Unten an der von riesigen LKW, Mopeds und Bussen bevölkerten Strasse verdientermaßen im erstbesten Mini-Restaurant ein eiskaltes Bier aus der Dose.