Fremde Personen respektvoll zu fotografieren, ist für Viele eine große Herausforderung. Unbemerkt den Auslöser zu drücken, kommt eigentlich so richtig nicht in Frage: Ich (Andrea) stehe auf einem hölzernen Steg im Hafen von Narsaq in Südgrönland und beobachte einen älteren, bärtigen Fischer im knallroten Anorak und dunkelblauer Wollmütze, der merkwürdig hässliche orangefarbene Fische in einer Plastiktüte zum Verkauf anbietet. Versonnen, fast nachdenklich und still sitzt er da, die tiefstehende Sonne taucht die Szenerie in ein warmes Licht. Kein anderer Mensch weit und breit ist zu sehen. Welch ein besonderer Moment! Doch ich widerstehe der Versuchung, die Kamera einfach so zu zücken. Der Fischer entdeckt mich und ich lächele ihm zu. Der Grönländer lächelt mit seinen Augen zurück ohne ein Wort zu sagen. Das Eis ist gebrochen. Von nun an darf ich ihn "aus allen Lagen" fotografieren.
Vielleicht kennst du ja auch das: Du bist in einem fremden Land unterwegs und siehst diesen einen Menschen, der sich so gut für ein Foto anbieten würde. Aber leider traust du dich nicht, ihn anzusprechen. Daher machst du schnell ein heimliches Foto und bist dann später enttäuscht, denn meist entspricht es überhaupt nicht dem, was du im Kopf hattest. Auf unseren Reisen rund um die Welt habe ich unzählige Menschen fotografiert und Viele davon habe ich vorher gefragt. Allerdings war das nicht von Anfang an so. Ich musste lernen, meine Scheu zu überwinden.
Wir haben den Blogbeitrag wie folgt gegliedert:
+ Warum denn überhaupt Menschen auf deiner Reise fotografieren? Was steckt dahinter?
+ Erfahrungen & Tipps für dich
+ Spezialthema: Menschen in der Straßenfotografie
+ Die Generalfragen: Ist Menschen fotografieren erlaubt oder nicht? Was bedeutet das "Recht am eigenen Bild"?
+ Machst du dich sogar strafbar?
+ Mein Fazit
Bevor es gleich losgeht, eine kurze Vorbemerkung zu diesem umfangreichen Themenkreis: Oft wird in der Fotografie, wenn es um Menschen fotografieren geht, der Begriff "Portraitfotografie" verwendet. Ist das jetzt etwas anderes oder dasselbe? Denn darunter wird dann meist nur die Aufnahme des Kopfes (bis maximal hin zu den Schultern) verstanden und nicht der ganze Körper des Menschen oder gar mehrere Menschen. Dem ist aber streng genommen nicht so, denn unter Portraitfotografie versteht man fotografische Aufnahmen generell von Menschen. Ein Portraitfoto soll den Menschen als Gesamtheit dem Bildbetrachter näherbringen, etwas über seinen Charakter aussagen, ein bestimmtes Image ausstrahlen oder in einer besonderen Lebenssituation darstellen. Eben nicht nur den Kopf abbilden, sondern tutto completti. So kann man also sagen, dass einen Menschen auf Reisen fotografieren dies gleichzeitig auch Portraitfotografie (im weiteren Sinne) ist. Das wissen vermutlich nur die Wenigsten.
Was treibt mich zum Fotografieren an? Es ist die unbändige visuelle Kraft von Bildern. Die Geschichten davor und dahinter. Ich mache Fotos, Filme und Videos, die besondere, traurige, schöne, glückliche, bedenkenswerte, erinnerungswürdige Geschehnisse, Situationen, Hintergründe zeigen. Glücklich bin ich, wenn ich mit Hilfe meiner Fotos Emotionen und Gefühle vermitteln kann, die ich selbst beim Fotografieren in manchen, ganz besonderen Momenten verspürt habe. Wenn ich Menschen in anderen Ländern sehen und hautnah erleben kann, was uns verbindet und was uns unterscheidet. Aber auch, wenn ich kleine Botschaften senden, inspirieren, die Fantasie anregen und auffordern kann, etwas Sinnvolles und Positives für und auf diesem Planeten zu tun.
Ich bin in meinem Leben echt viel durch die Welt gereist, immer auf der Suche nach Abenteuern und Wegen, um von Kulturen und Menschen zu lernen und zusammen mit ihnen bislang mir unbekannte Dinge zu tun. Die Fotografie - insbesondere von Menschen - gab mir so immer die Möglichkeit, tiefer zu schauen und meine Erfahrungen intensiver zu machen. Aber auch den fotografischen Fokus auf Details und Besonderheiten, Skurriles und Merkwürdiges zu legen, die versteckt sind, die man suchen muss. So fotografiere ich gerne Menschen, die in herausfordernden Umgebungen arbeiten oder in enger Verbindung mit der Natur leben. So wie sie in Wirklichkeit sind.
Menschenfotografie hat sehr viel mit Einfühlungsvermögen zu tun – auf jeden Menschen muss man anders eingehen, jedes Foto anders vorbereiten. Und es gibt unterschiedliche Arten, Menschen auf Reisen zu fotografieren. Ich habe sie in folgende Kategorien eingeteilt:
Einer der Gründe, warum man sich schwer damit tut, fremde Menschen anzusprechen, ist sicher die befürchtete Ablehnung. Vor allem, wenn du noch nicht viel Erfahrung im Fotografieren von Menschen hast, beginne doch damit, dass du Andere erst einmal beobachtest, bevor du sie ansprichst. Die Straßenfotografie ist dafür eine gute Übung. Wenn du dich einmal getraut hast, Jemanden anzusprechen, ob du ein Foto machen darfst, dann fällt es oft leichter. Wenn das Vertrauen erst einmal aufgebaut ist, ist es nur noch ein kleiner Schritt für anschließend noch weitere Fotos von ihm. Wenn dir das doch zu schnell geht, fotografiere zunächst Menschen bei der Arbeit oder fange mit denjenigen an, die vom Tourismus leben: Reiseführer, Taxifahrer, Hotelpersonal oder Händler.
Mir haben ein paar Dinge geholfen, meine diese Heruasforderungen zu meistern:
1. Informiere dich vor deiner Reise, wie die Menschen in dem Land, in das du reisen möchtest, generell dazu eingestellt sind, fotografiert zu werden.
2. Lerne ein paar Worte oder Sätze in der Landessprache. Die meisten Menschen reagieren positiv darauf, wenn du dich um sie bemühst. Denke an den Satz von Edward Steichen: „Ein Portrait entsteht nicht in der Kamera, sondern auf beiden Seiten davon."
3. Ich wechsle gedanklich die Seiten und frage mich, wie mich ein Fotograf ansprechen müsste, damit ich für ein Foto von mir einwillige: Freundlich, positiv, optimistisch. Wenn dies der Eindruck wäre, den er mir vermittelt, und er mir sagt, er findet mich so interessant, dass er gerne ein Foto von mir machen möchte, wäre die Chance, dass ich einwillige, groß. Und so geht es natürlich auch anderen Menschen.
4. Wenn du mit einem Guide oder Reiseführer unterwegs bist, lass ihn zunächst die Einheimischen ansprechen.
5. Wenn Du deine Zielperson ansprichst, ist es oft eine gute Idee, sich kurz persönlich vorzustellen, ein wenig Zeit zu nehmen und ein Small-Talk zu führen. Das schafft Vertrauen und nimmt Ängste.
6. Du kannst auch erzählen, was du mit den Fotos vorhast (Privatgebrauch, Veröffentlichung im Internet oder in der Presse, Ausstellung …). Erwähne wenn möglich auch immer die Institution (Schule, Webseite, etc.), für die du das Bild machst. Dies wirkt in der Regel vertrauenerweckend.
7. Denke daran, dem Menschen ein Kompliment zu machen. Insbesondere dann, wenn ihr Äußeres anders als sonst üblich ist. Frage ihn nach seinem Leben. Besonders ältere Menschen haben viel erlebt und können dir so einiges an Hintergrundinformationen geben. Du wirst einzigartige Geschichten hören, die dir helfen, die Person besser zu verstehen.
8. Wenn der Fotografierte daran interessiert ist, zeige deine Bilder via Kamerascreen. Gib ihnen deine Kontaktdaten oder wenns geht, deine Visitenkarte.
10. Gehe nah genug an die Menschen heran. Wenn du dies nicht tust, zeigt das, dass du Angst vor ihnen hast.
11. Also: Viele positive Erfahrungen sammeln, was bedeutet: Es immer wieder tun. Und wenn tatsächlich einmal jemand ablehnt, darf man sich nicht entmutigen lassen. Natürlich gibt es in dieser Beziehung starke kulturelle Unterschiede.
12. Eine gute Gelegenheit, Menschen zu fotografieren, sind auch Festivals, Paraden oder Vorführungen. Zum einen zeigen sie häufig Aspekte der jeweiligen Kultur, zum anderen fotografieren viele Menschen dabei selbst und sind dadurch auch offener, fotografiert zu werden.
13. Mache auf jeden Fall mehrere verschiedene ¬Fotos, um später auswählen zu können. Versuche es einmal leicht von oben oder von unten. Gelungen können auch Fotos von Menschen im Profil sein. Variiere auch die Bildkomposition, den Ausschnitt, die Blende und die Brennweite. Und bleibe stets mit dem Menschen in Kontakt und sei positiv, lächele und bedanke dich am Schluss. Auch wenn du mit deinem Foto vielleicht nicht ganz zufrieden sein solltest.
14. „Das Gesicht in der Menge“ lässt sich mit einem Teleobjektiv und einer offenen Blende gut festhalten. Manch interessantes Foto einer anderen Kultur ist ohne ein solches Objektiv oft gar nicht möglich.
15. Achte auf einen ruhigen Hintergrund und die Reflexionen in den Augen des Menschen. Starke Farbkontraste können ein Foto zusätzlich interessant machen.
16. Hände erzählen ganze Geschichten. Fotografiere auch einmal (menschliche) Details.
17. Schaue vorher, wie du das Bild gestalten willst: Wo gibt es einen ruhigen oder schönen Background? Wo ist das Licht gut? Was soll mit ins Bild? Was stört? Du kannst ggfs. auch in die Szene eingreifen z.B., ob du eine grässliche Plastiktüte beiseitelegen darfst. Manchmal kannst du Menschen auch bitten, zu einer anderen Stelle zu gehen, damit das Foto noch besser wird.
18. Kenne dein Reise-Kameraquipment gut. Übe ein wenig zu Hause, Menschen zu fotografieren, damit du Routine hast und dich dann mit Fremden in einem anderen Land sicher fühlst.
19. Wenn du Kinder fotografierst, gehe ruhig auf die Knie, um eine Perspektive auf Augenhöhe zu erreichen. Lies wegen einer ggfs. notwendigen Erlaubnis durch die Eltern bitte auch den Abschnitt „DIE VERÖFFENTLICHUNG VON FOTOS“.
20. Sollst du für deine Fotos eventuell auch etwas bezahlen? Ich meine: Wenn mir jemand seine Zeit schenkt und sich bereit erklärt, sich von mir fotografieren zu lassen, kann er vielleicht auch eine kleine Gegenleistung erwarten. Wenn ihm das Ganze selbst Spaß macht und sich der Kontakt für beide Seiten positiv gestaltet, ist dies aus meiner Sicht jedoch nicht immer notwendig. Im Zweifel wäre ein finanzielles Angebot meinerseits sogar eine Art Beleidigung. Fragt aber jemand sofort nach Geld, wenn ich ihn um ein Foto bitte, überlege ich mir, wie wichtig mir das Bild ist. In vielen Ländern sind die Menschen sehr arm und in manchen Fällen ist es mir das Bild wert, dafür auch zu zahlen. Das ist allerdings die Ausnahme, denn schnell besteht hier die Gefahr, dass eine Kultur entsteht, in der es Fotos nur noch gegen Geld gibt. Und unser Handeln bestimmt die Erfahrungen, die die Menschen mit Fremden machen und können somit für nachfolgende Reisende oder auch Fotografen bestimmend werden.
Handelt es sich um jemanden, der etwas verkauft, ist es noch einfacher, einen für beide Seiten fairen Deal zu machen, indem man einfach bei ihm etwas kauft. Gerade, wenn du noch wenig Erfahrung mit dem Fotografieren von fremden Menschen hast, bietet es sich an, zunächst in Vorleistung zu gehen, also beispielsweise an einem Marktstand etwas zu kaufen und erst danach um ein Foto zu bitten. Das Prinzip der Gegenseitigkeit gilt in fast allen Kulturen.
Früher stand ich schon gern mal etwas länger mit meiner Kamera auf einer Stelle und wartete bis alle Personen endlich aus dem Bild rausliefen. Ich wollte das Haus, die Straße, die Kirche oder den Strand ohne Menschen fotografieren. Heute stehe ich höchstens etwas länger dort, damit mir jemand ins Bild hineinläuft. Warum bereichert es deine Reisefotos, wenn du Personen ins Bild holst?
Eine gute Möglichkeit, Jemandem das Gefühl von einem Ort zu vermitteln, ist doch, das Leben auf seinen Straßen zu zeigen: Ist dort viel los oder eher ausgestorben? Wie bewegen sich die Menschen in ihrem Umfeld? Wie viel Leben findet auf der Straße statt? Wie arbeiten, essen und amüsieren sich die Menschen?
Einige Grundsätze gibt es im Rahmen der Straßenfotografie, die du beachten solltest:
1. Spontan und schnell sein: Mit der Kamera in der Hand versuche ich, Situationen zu sehen oder vorauszuahnen.
2. Abwarten: Manchmal gibt es interessante Plätze, Straßen oder Gebäude, und ich warte, bis etwas Spannendes passiert und Menschen ins Bild laufen.
3. Zufall: Den gibt es tatsächlich auch. Ich möchte ein Bild ursprünglich ohne Menschen machen und - und plötzlich radelt ein Priester in weißem Gewand mitten in mein Foto hinein.
4. Menschen in einem Foto helfen dem Betrachter, indem sie Perspektive vermitteln.
5. Personen müssen übrigens auch nicht immer erkennbar sein, um deinem Bild das gewisse Extra zu verpassen.
6. Die Straßenfotografie hat überwiegend dokumentarischen Charakter. Da es ja eben genau darum geht, Menschen und Situationen so zu fotografieren wie sie eben sind oder geschehen, sollte man möglichst wenig arrangieren. Am wichtigsten aber ist es, dass du Spaß an der Straßenfotografie hast. Die besten Resultate erhältst du, wenn du den Kopf ausschaltest und dich nur auf deine Umgebung konzentrierst. Kamera auspacken und loslegen. Behalte immer dein oberstes Ziel präsent: nämlich Emotionen, Menschlichkeit und den Charakter einer Person darzustellen.
7. Das richtige Objektiv auszusuchen ist einer der wichtigsten Faktoren der Straßenfotografie. Anfangs wirst du in Versuchung kommen, ein Teleobjektiv zu benutzen mit einem Monster-Zoom – damit du ja nicht allzu nah an eine Person herantreten musst. Ein Tele richtet aber manchmal mehr Schaden als Gutes an. Denn grosse Objektive machen Angst, wenn sie frontal auf Einen gerichtet sind. Man kommt sich vor wie in der Schusslinie. Andererseits ist eine gewisse Unauffälligkeit auch nicht falsch. Was also tun? Du solltest unauffällig aussehen und mitten im Geschehen sein. Benutze ein Weitwinkel-Objektiv oder gar eine Festbrennweite und werde Teil der Menschenmenge. Viele entscheiden sich für eine Kompaktkamera, die weniger aufdringlich ist als eine DSLR (Digitale Spiegelreflexkamera). Zusätzlich hat sie noch den Vorteil, leichter und diskreter zu sein.
8. Fotografiere also die (Straßen)Welt wie sie ist. Nichts ist so spannend wie die Realität. Und Kreativität kommt dort auf, wo deine Leidenschaft liegt. Also mach das, was dich glücklich macht und nicht was andere Leute von dir erwarten. Wahrnehmung und Intuition sind dabei die wichtigsten Faktoren. Du musst aufmerksam sein und dein Auge für Details trainieren. Folge deiner Intuition, nicht einer Logik.
Es ist echt ein komplexes, schwieriges und umfangreiches Thema. Daher werde ich mich auf die wesentlichsten vier Punkte konzentrieren. Die folgenden (vor allem die rechtlichen) Hinweise gelten für Deutschland, aber vom Grundsatz sicherlich auch fürs Reisen im Ausland:
+ Was ist das Recht am eigenen Bild?
+ Fotografieren und Veröffentlichen: Was musst du in welcher Situation beachten?
+ Huch, du machst dich strafbar!
In Deutschland wie auch vielen anderen Ländern gilt das allgemeine Persönlichkeitsrecht. In Bezug auf die Fotografie bedeutet es vor allem, dass man als "Fotografierte/r" selbst entscheiden darf, welche Bilder von einem selbst der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden dürfen. Grundsätzlich hat also jeder das Recht am eigenen Bild. Trotzdem gibt es Ausnahmen: Beim Fotografieren in der Öffentlichkeit gelten besondere Regeln. Das Recht am eigenen Bild des Abgebildeten findet seine Schranken auch dort, wo andere Grundrechte gleichberechtigt Platz beanspruchen können. Das kann zum Beispiel die Pressefreiheit sein oder die Kunstfreiheit.
Fotografiert und gefilmt wird überall und jederzeit. Mit der Digitalfotografie sind auch die letzten Hemmungen gefallen und manch einer fand sich, in einem ungünstigen Moment abgelichtet, ungewollt auf der Homepage von Freunden oder Feinden wieder. Wenn man es genau nimmt, geht es bei diesem Thema um zwei wichtige Aspekte: Erstens, darf ich Menschen generell fotografieren und zweitens, darf ich deren Fotos veröffentlichen. Das wird häufig verwechselt oder durcheinandergebracht.
1. IST FOTOGRAFIEREN VON MENSCHEN ÜBERHAUPT ERLAUBT?
Das kommt darauf an. Fotografiert man gezielt eine Person oder mehrere Menschen im öffentlichen Raum, so sollte man diese spätestens nach dem Foto um Erlaubnis fragen. Auch bei Eingriffen in die Intimsphäre (höchstpersönlicher Lebensbereich) ist ohne Einwilligung der fotografierten Person das Fotografieren nicht erlaubt.
Aber: Keine Regel ohne Ausnahmen.
Wenn eine Person nicht das Hauptmotiv einer Aufnahme ist, dann darfst du sie fotografieren. Wenn du also zum Beispiel die architektonisch traumhaften Gebäude von Pisa fotografierst, wirst du es nur sehr schwer hinbekommen, keine Menschen auf dem Bild zu haben. Das Hauptmotiv ist nun mal der Schiefe Turm & Co., die Personen davor und daneben sind lediglich Beiwerk. Du musst sie also nicht um Erlaubnis fragen, ob du sie aufnehmen darfst.
Die Grenze, bis wann eine Person Beiwerk ist, ist jedoch fließend. Wenn du einen einzelnen T-Shirtverkäufer vor dem Dom fotografierst, ist er eher kein Beiwerk, sondern das Hauptmotiv. Du muss also nicht warten, bis das kilometer"lange" Panorama menschenleer ist. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die Örtlichkeit im Vordergrund steht und nicht die Personen; ferner dürfen jene nicht aus der Anonymität quasi "herausgelöst" worden sein. Als Faustregel kannst du dir immer die Frage stellen: Ist das Bild auch ohne die abgebildete Person noch ein gutes Bild oder lebt das Bild gerade davon, dass diese eine Person darauf ist? Wenn die Person nicht wichtig für das Bild ist, dann ist sie nur Beiwerk. Eine auf diesem Wege „mitfotografierte“ Person hat jedoch das Recht, dich als Fotografen anzusprechen und die Löschung des Bildes zu fordern.
Es ist gestattet, Menschenmengen bei bestimmten gesellschaftlichen Ereignissen zu fotografieren, ohne jede abgelichtete Person um Erlaubnis zu fragen. Das gilt zum Beispiel für Karnevalsumzüge, Demonstrationen oder die Zuschauer eines Konzerts oder Fußballspiels. Wichtig ist hierbei aber, dass du keine einzelne Person aus der Menschenmenge hervorhebst. Wenn dein Bild nur einen einzelnen schreienden Fußballfan herausstellt oder einen betrunkenen Karnevalsgast am Rande des Umzugs, darfst du dieses Bild nicht ohne Weiteres veröffentlichen.
Eine weitere Ausnahme gilt für Personen der Zeitgeschichte, wozu in der Regel Prominente zählen. Das bedeutet aber nicht, dass du ein Bild von einem Schauspieler machen und veröffentlichen darfst, auf dem er mit seiner Freundin im Restaurant sitzt. Die Ausnahme bezieht sich lediglich auf Bilder, die im Zusammenhang mit seinem Wirken stehen. Wenn du den Schauspieler also auf dem roten Teppich fotografierst oder im Foyer eines Kinos bei einer Filmpremiere, darfst du dieses Bild auch veröffentlichen.
Wenn man sich die Fotos bekannter Fotografen anschaut, fällt auf, dass keine dieser Ausnahmen auf diese Bilder zutreffen. Die Bilder sehen oft auch nicht so aus, als hätten sie jeweils mit den abgelichteten Personen gesprochen. Wie machen diese Fotografen es also, deren Bilder von Menschen in alltäglichen Situationen weltberühmt sind und in Ausstellungen zu sehen sind? Es gibt eine weitere Ausnahme der "Erlaubnispflicht": Die Kunstfreiheit. Wenn man also vorhat, seine Aufnahmen z.B. in Form eines Fotobuches oder in einer Fotoausstellung zu zeigen, fallen diese unter die Kunstfreiheit. Du brauchst dann keine explizite Einwilligung der fotografierten Person. Was nun alles unter Kunst fällt, ist natürlich Auslegungssache. Wenn du einen Bildband herausgibst und davon zehn Exemplare privat für deine Freunde druckst, wird das sicherlich nicht jedes Gericht als Kunst anerkennen.
2. DIE VERÖFFENTLICHUNG VON FOTOS
Bei der Veröffentlichung von Bildern ist vor allem der Zusammenhang und die Art der Veröffentlichung wichtig. Auf einem privaten Blog oder sozialen Medien kann man grundsätzlich mit wenig Einspruch rechnen. Wer bei einer privaten Party als Gast einmal das kleine Missgeschick eines Anderen zufällig fotografiert hat, darf das Bild für sich behalten und nach Jahren noch darüber schmunzeln. Der oder die Abgebildete kann jedoch zumindest berechtigt sein, die öffentliche Zuschaustellung, das heißt, Sendung im Fernsehen, Verfilmung, Zeigen im Internet und so weiter zu verbieten. Gleiches gilt bei Verbreitung eines Bildnisses, etwa via Zeitung, Buch, Onlineversand. Man sollte sich hüten, ein solches Bildnis trotz entgegenstehendem Willen des Abgebildeten "nur privat" zu verbreiten. Die Gefahr einer Verbreitung an eine unkontrollierbare Menge ist zu groß, so dass der Abgebildete zur Untersagung berechtigt sein könnte. Wird das Bild für eine Medien-Kampagne oder politische Zwecke eingesetzt, so wird das Ganze noch etwas heikler. In diesem Fall steht das Recht am eigenen Bild über dem Urheberrecht.
Selbstverständlich stehen auch Kindern Persönlichkeitsrechte zu, mit denselben Einschränkungen wie bei Erwachsenen.
Soweit durch die Veröffentlichung des Bildes die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes gefährdet sein kann, besteht allerdings ein weitergehender Schutz. Die Persönlichkeitsrechte werden bei kleineren Kindern von den sorgeberechtigten Eltern wahrgenommen. Also muss im Zweifel die Einwilligung der Eltern eingeholt werden. Bei älteren Kindern ab 14 Jahren, bei denen eine gewisse Einsichtsfähigkeit vorausgesetzt werden kann, ist zudem noch die Zustimmung des oder der Minderjährigen selbst erforderlich.
Doch nicht immer ist die Einwilligung des Fotografierten oder Abgebildeten bei einer Veröffentlichung erforderlich. Hier gilt das weiter oben zum Thema "Ist Fotografieren von Menschen erlaubt?" als Ausnahmen Beschriebene in gleicher Weise.
3. STRAFBARKEIT GEMÄSS § 201A STGB
Durch Handys und immer kleiner werdende Digitalkameras können wir praktisch jeden Moment unseres Lebens für die Nachwelt festhalten. Doch die technischen Möglichkeiten haben auch ihre Schattenseiten. So erleichtern sie ein heimliches und daher unerlaubtes Fotografieren von Personen. Dieses Verhalten kann einen Eingriff in Persönlichkeitsrechte darstellen und deshalb gemäß § 201a StGB strafbar sein. Doch welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit unerlaubtes Fotografieren als Straftat gilt? Welche Sanktionen sieht das Strafgesetzbuch in einem solchen Fall vor?
Gemäß § 201a StGB machen sich Personen, welche Fotos von anderen aufnehmen, strafbar, wenn diese unerlaubt hergestellt oder verbreitet werden.
Strafbar ist auch eine Veröffentlichung von Aufnahmen im Internet – z.B. auf Facebook, Instagram oder über einen Livestream – wenn diese Handlung bewusst gegen den Willen der abgebildeten Person verstößt. Gleiches gilt auch für Fotos, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellen. Als hilflos gelten dabei auch Menschen, die unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen stehen. Daneben wird auch derjenige bestraft, der aus dem Bild einen Nutzen zieht, also das Bild gebraucht oder einem Dritten zweckbezogen zugänglich macht. Ferner wird bestraft, wer eine Aufnahme, die vielleicht einmal befugt hergestellt wurde, missbräuchlich an Dritte weitergibt. Letzteres ist der Fall bei Aufnahmen im privaten Kreis, welche ein "Freund" bewusst an Dritte weitergibt, weil er ein z.B. lukratives Angebot einer Zeitschrift bekommen hat.
Als Strafe drohen bis zu zwei Jahre Freiheitsentzug. Erlangt der Fotografierte Kenntnis über eine Rechtsverletzung und möchte diese strafrechtlich verfolgen lassen, muss er dazu einen Strafantrag zu stellen, es sei denn, die Strafverfolgungsbehörde bejaht ein besonderes öffentliches Interesse.
Trotz aller dieser Regeln sieht man überall Bilder von Menschen. Wie ist das möglich?
Erstens: Grundsätzlich solltest du daher nicht vor Angst erstarren und aufhören, Menschen (auf Reisen) zu fotografieren. Eine Klage wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts kann nur von der abgebildeten Person selbst erhoben werden. Dafür muss diese Person a) das veröffentlichte Bild entdecken, b) Einwände gegen das Foto haben und c) ein gerichtliches Verfahren gegen dich einleiten wollen. Gerade bei Reisefotos ist es unwahrscheinlich, dass dich der Eselshirte aus den peruanischen Anden verklagen wird. Das klingt jetzt vielleicht arrogant, aber letztendlich ist es in der Realität so. Es bedeutet auch nicht, dass Menschen, die sich nicht wehren können, Freiwild sind. Mit gesundem Menschenverstand und einem gewissen Maß an Moral, solltest du die richtigen Entscheidungen für dich selbst treffen können.
Zweitens: Wie oben beschrieben bedarf bereits das bloße Fotografieren einer Person dessen Genehmigung, auch wenn du nicht vorhast, dieses Bild in irgendeiner Form zu veröffentlichen. Um also wirklich rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, müsstest du den oder die Mensch/en immer fragen, bevor (!) du ein Foto von ihr/ihnen machst. In der Praxis ist das natürlich oft unrealistisch und für viele Fotos auch kontraproduktiv, daher drei kleine Tipps zum Abschluss, wie du trotzdem mit dieser Tatsache beim Fotografieren von Menschen auf deiner Reise gut umgehen kannst:
+ Du sprichst Dein Fotomotiv an und bittest um Fotoerlaubnis. Manchmal reicht es auch, sich etwa in der Weise bemerkbar zu machen, den zu Fotografierenden durch ein kurzes Nicken, ein Lächeln oder ein Zeigen auf die Kamera darauf hinzuweisen, dass du ein Foto machen möchtest. Ein kurzes Nicken zurück oder ein Lächeln kann dann schon als Zustimmung interpretiert werden.
+ Du fotografierst ohne zu fragen. Jeder hat wahrscheinlich schon einmal eine Person fotografiert, ohne dass diese es überhaupt bemerkt hat. Ich würde die Unwahrheit sagen, wenn ich das Gegenteil behaupten würde. Rechtlich ist das nicht in Ordnung, ich persönlich finde es für mich durchaus vertretbar, das muss aber jeder für sich selbst entscheiden. Wenn du das Foto nur für dich haben möchtest und nicht vorhast, es zu veröffentlichen, spricht da auch nicht wirklich etwas dagegen. Wenn du das Foto aber veröffentlichen möchtest, solltest du unbedingt den oben beschriebenen Grundsätzen Achtung schenken.
+ Du fragst nach dem Fotografieren um Zustimmung. Oft willst du dich aber vor allem aus fotografischen Gesichtspunkten nicht bemerkbar machen wollen. Wenn dein Motiv gerade gedankenverloren in die Gegend sieht, möchtest du diesen Menschen natürlich nicht vorher ansprechen. Die Situation wäre damit zerstört und mit ihr auch das Motiv. Hier würde ich das Foto einfach machen. Wenn du beabsichtigst, dieses Bild dann später zu veröffentlichen, solltest du die Person darauf aufmerksam machen. Die meisten Menschen haben aber eh nichts dagegen, fotografiert zu werden und es ist mir - ehrlich gesagt - bisher noch nie passiert, dass Jemand von mir verlangt hat, ein Foto wieder zu löschen.
Und jetzt wünsche ich dir viel Erfolg und das richtige Händchen beim Fotografieren "wie ein Profi" von interessanten Menschen auf deiner Reise. Alles wird gut und ich bin mir sicher, dass du Alles richtig machen wirst.