SIZILIEN, DIE SONNENINSEL 2025 - Teil 1

Andrea
16.05.2025
Travel
Italy

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"Ich möchte nach Sizilien reisen in das wunderschöne Land der Zitronen, der Roten Brigaden und der Mafia, und auf der Straße zur Sonne jagen. Zerstörung der Lira, Gelati Motta mit Grio, Tecco Mecco mit Mädchen, hier ist die Mutter meiner Liebe. Tolles Sizilien-Gefühl, von der warmen Sonne geküsst, mein Geldbeutel ist völlig leer, deshalb esse ich immer nur SPAGHETTI CARBONARA UND EINE COCA-COLA ....."  (frei nach der deutschen Band Spliff aus dem Jahre 1982)


Zweieinhalb Wochen lang Sizilien. Manche sagen, das wahre Italien lerne man erst in Sizilien kennen. Der April ist dafür bestens geeignet: Frühlingshafte Temperaturen so um die 17° bis 21° C. Wenig Regen. Wenig Touristen, kein Trubel. Eher Ruhe und Entspannung. Leckeres sizilianisches Essen mit bestem italienischen Rotwein. Der wahre Gegensatz zu unserer Kolumbienreise Anfang 2025. Ein Mietwagen, 2 x ein Ferienhaus und einige kleine romantische Unterkünfte. Weniger Gepäck als sonst. Flugzeit von München nur 2 Stunden.

Die größte Insel Italiens ist voller inspirierender Kontraste. Majestätische Berge liegen direkt am tiefblauen Mittelmeer, bezaubernde Berg- oder Fischerdörfer neben quirligen Altstädten. Und überall ergiesst sich die spektakuläre Geschichte Siziliens in eine atemberaubende Gegenwart. Griechische Tempel und Amphitheater. Die Insel wird von drei Meeren umspült: Dem Tyrrhenischen Meer im Westen, dem Ionischen Meer im Osten und dem Mittelmeer im Süden. Die Natur ist farbig und duftend mit den blühenden Mandel-, Zitronen- und Orangenbäumen und exotischen Blumen. Unglaublich vielfältig mit Vulkanen, mediterraner Macchia auf den Hängen der Berge und Hügel sowie Flusstälern. Die Insel ist von der Sonne verwöhnt, dazu ein wunderschöner Flecken Erde und ein wahres Schatzkästchen. Ihr Mix aus stolzen Städten, wilden Küstenlandschaften und italienischem Leben ist echt einzigartig.

Das kleine Sant'Elia: Es ist für uns der faszinierendste Ortsteil von Santa Flavia, liegt direkt am Meer und alleine das ist natürlich schon einen Blick wert. Aber man sollte etwas genauer hinschauen, denn eines der Geheimnisse ist ein wenig verborgen, öffnet sich dann aber dem staunenden Betrachter in voller Schönheit. Eine kleine felsige Bucht mitten im Ort, umgeben von alten Häusern und Balkonen, die über dem Meer schweben. An einem kleinen Strand liegen orange-blau gestrichene Fischerboote und in der Mitte der Bucht kann man über eine Treppe ins Wasser steigen. Ein Kreuz auf dem Felsen am Ende des Meeresarmes ist ein bei den Sizilianern beliebter Platz, um Heiratsanträge zu machen. Ein weiteres Geheimnis liegt hinter den Wänden eines alten Hauses verborgen, das fast mitten im Meer steht - das "Casa Bianca" (Weißes Haus) am Ende des Dorfstrandes. Ein Sehnsuchtsort, der sicherlich viele Male am Tag erzählt bekommt, wie gerne man dort leben würde - mit den Füßen im Meer und dem Kopf in den Wolken. Aber das Haus birgt dunkle Familiengeheimnisse, zumindest wenn man der Autorin Stefanie Gerstenberger glauben möchte. In ihrem Roman "Das Limonenhaus" weht der Duft von Zitronen durch die Räume, aber es lastet auch ein Geheimnis darauf, das auf einer alten sizilianischen Tradition beruht, die hier natürlich nicht weiter verraten wird...

Das schöne Porticello ist ein Ortsteil von Santa Flavia. So jedenfalls sieht es organisatorisch aus. Die Bürger von Porticello sehen das allerdings anders. Schließlich gab es Porticello lange vor den Filangeri. Damals kamen Bewohner des heissen Landesinneren zum Fischen hierher. Hier gab es einen natürlichen Hafen und Tuffstein-Höhlen, in denen man wohnen konnte. Der Name Porticello stammt aus dieser Zeit: Er bedeutet "kleiner Hafen". Nach und nach entschieden sich mehr und mehr Fischer zu bleiben. Die Höhlen wurden zu Häusern und aus dem kleinen Naturhafen ist der zweitgrößte Fischereihafen Siziliens geworden. Es wundert also nicht, daß er heute der Lebensmittelpunkt Porticellos ist.

In Richtung Osten an der Küste entlang nach Cefalù: Die hübsche Altstadt, die sich zwischen dem Rocca di Cefalù, der fast an die 300 m hoch ist, und dem Meer hineinschmiegt. Vor der Stadt eine lange gebogene Bucht mit Sandstränden, dahinter die Berge der Madonie. Alles zusammen bildet einen perfekten Halbmondkreis ab. Cefalù, das leitet sich aus dem Griechischen ab: Kephaloidion (Kephalos = der Kopf) nannten die Griechen die antike Siedlung, die sich damals noch hoch oben auf dem Felsen befand. Normannenkönig Roger II., der hier mit seinen Mannen landete, verlegte die Stadt dann hinunter an den Fuß des Berges. Nach seiner Krönung 1131 stiftete er der Stadt die heute noch mächtig daliegende Kathedrale. Trotz ihrer heutigen beachtlichen Tourismuskarriere ist die Stadt noch irgendwie sie selbst geblieben – und wenn man durch die Gässchen schlendert, sieht man auch, dass hier nach wie vor Alltag gelebt wird. Da fährt ein kleines Auto, vollgeladen mit Obst und Gemüse durch die Gassen, hält vor den Häusern und schon werden da und dort kleine Körbe aus den Fenstern herabgeseilt und vom fahrenden Händler befüllt. Aber auch auf der Straße wird mit ihm gehandelt und gefeilscht. Bis er den Motor wieder anwirft und um`s Eck in die nächste Gasse verschwindet.

Tagestour durch den Parco delle Madonie, einen Geopark. Er ist riesig. Unfassbar schön. Der Park umfasst über 40.000 ha naturalistische Landschaft im Norden von Sizilien. Hier finden sich höchsten Gipfel der sizilianischen Insel mit Ausnahme des Ätnas. Einige dieser liegen bei knapp 2.000 m Höhe und gehören zu den ältesten bekannten Gipfeln Siziliens. Sie sind die ersten Teile der Erde, die aus dem Wasser ragten, die uns heute als das Ergebnis von Millionen Jahren Naturgewalt erscheinen. Der Nordteil der Madonie mit tiefen Tälern fällt mit steilen Wänden zum Meer hin ab, während im Süden das lehmige Hügelland der Täler des Flusses mit Namen Gangi sanft das Gebirge mit der Hochebene verbindet. Wir fahren durch Zauberwälder mit bemoosten Steinen und alten Eichen, bunte Wiesen, die im Sonnenlicht rot, blau und gelb leuchten. Bei den Bäumen ist der Frühling noch nicht angekommen. In 1.900 m Höhe Schnee auf der schmalen, kurvigen Straße und die Landschaft vor uns ist plötzlich weiß. Ja, man kann auch Skifahren auf Sizilien.

Viele kleine Dörfer direkt an Hänge gebaut oder wie dieses spezielle Dorf direkt oben auf einem kleinen Berg: Sclafani Bagni. Es ist ein winziges sizilianisches Dorf mit 387 Einwohnern, einer kleinen Bar und einem Tante-Emma-Laden. Beim ersten Blick in Google Maps haben wir Schwierigkeiten, Sclafani Bagni überhaupt zu finden. Was macht es überhaupt so interessant? Zum einen ist das Dorf wegen seiner mittelalterlichen Struktur fast frei von Autos. Viele Strassen sind schlicht zu eng oder auch zu steil. Sclafani Bagni liegt nämlich hoch oben auf einem Felsen oder anders ausgedrückt tief in einen Felsen hineingebaut, der derart schroff abfällt, dass es selbst in einem "flachen" Satellitenbild auffällt.


Wir parken etwas außerhalb und nehmen besser die Straßenbahn ins Zentrum. Palermo ist eine Markt-Stadt. Hier kann man sich jederzeit an Streetfood satt essen und den Straßenhändlern dabei zusehen, wie sie schreiend und sogar tanzend auf sich und die Produkte aufmerksam machen. Der älteste Markt der Stadt ist der sensationelle Ballarò-Markt. Hier werden seit über 1.000 Jahren unter freiem Himmel Lebensmittel, Haushaltswaren und Kleidung verkauft. Wir schlendern gemächlich durch den Markt. Traumhaft günstige Preise und überall frischer Fisch, Gemüse und Obst. Es dampft, qualmt und duftet aus allen Ecken. Die Händler schreien um die Wette, ein unglaublicher Trubel, laut und schrill. Musik aus riesigen Lautsprechern und gegen Mittag sind die Tische der unzähligen Streetfood-Restaurants proppenvoll. Wir lieben diese Art Atmosphäre so sehr. Später dann die Kathedrale von Palermo. Ein riesiges Bauwerk. Hier ruhen etliche Kaiser und Könige. Aufgrund seiner ersten Bauperiode wird er auch als Normannendom bezeichnet. Den ursprünglich von uns angestrebten Normannenpalast von innen lassen wir aus, er scheint nicht das Gelbe vom Ei zu sein.

Palermo platzt aus allen Nähten: Menschen, überall, Autos, Vespas und noch einmal Menschen. Palermo, du ziehst uns die Schuhe aus denken wir, als wir uns in das wilde Treiben der Stadt werfen. Minutenlang stehen wir am Straßenrand und wagen nicht die Straße zu überqueren, denn ein unablässiger Strom an Autos und Zweirädern fließt zwischen uns und der anderen Straßenseite. Unüberwindbar, zumindest empfinden wir es so. Erste Lektion in Palermo: Mutig sein und Tatsachen schaffen. Und dann wagen wir uns hinunter vom Gehsteig und finden unseren Weg zwischen hupenden Autos hindurch auf die andere Seite. es ist bunt, farbenprächtig, schillernd. Renoviertes neben Verfallenem. Neben prachtvollen Palazzi stehen immer noch Ruinen aus dem zweiten Weltkrieg. Aber egal wie verfallen manche Gebäude sind, die Stadt strahlt Würde aus. Ja, hier ist nicht alles perfekt, ja, hier fehlt es offensichtlich oft an Geld oder dem Willen, etwas zu ändern: Putz bröckelt von so mancher Fassade, auf den Gehsteigen in manchen Gassen muss man aufpassen nicht in die Löcher zu stolpern, Balkongitter rosten vor sich hin. Aber trotzdem scheint diese Stadt und mit ihr ihre Bewohner zu wissen, wer sie ist. Unverfälscht und ehrlich, so empfinden wir Palermo. Und ihre Unzulänglichkeiten übertüncht die Stadt mit Grandezza. Dies ist eine Stadt für den zweiten Blick. Man muss sie gerade nicht lieben, aber erlebt muss man sie haben.

Castellammare del Golfo, ein verborgener Küstenort, liegt auf unserem Weg. Das Dorf mit seinen charakteristischen engen Gassen und farbenfrohen Häusern wird von der imposanten arabisch-normannischen Burg dominiert, die einen spektakulären Panoramablick auf den Golf bietet. Auf den Hügeln vor Castellammare sind noch heute die Ruinen des antiken Segesta erhalten, darunter ein dorischer Tempel. Castellammares namensgebendes Kastell, das „Castello a mare“, ruht auf den Grundfesten einer auf einer Landzunge erbauten arabischen Festung.

Die Tonnara von Scopello ist eine historische Thunfischfabrik. Sie stammt aus dem 13. Jhd. und spielte jahrhundertelang eine bedeutende Rolle in der Thunfischindustrie. Die Anlage besteht aus alten steinernen Gebäuden, die früher zur Thunfischverarbeitung dienten, sowie einem kleinen Hafen, in dem Boote anlegen. Heute ist die Tonnara stillgelegt, beherbergt ein Hotel und ein Museum und dient als malerische Kulisse für Fotografien, Filmaufnahmen wie für "Ocean 12" und Hochzeiten. Besonders markant in der Szenerie sind die Faraglioni, die mächtigen Felsen, die dramatisch aus dem türkisblauen Meer ragen. Plus das schöne Segelboot mittendrin. Die gesamte Landschaft der Umgebung ist idyllisch, aber der Blick auf die Bucht hat uns wirklich beeindruckt: Das blaue-smaragdgrüne Wasser, das zum Ufer hin immer türkiser wird und die merkwürdig geformten Felsen umschließt. Die alte Thunfischfabrik, die sich durch ihren Rotton von der Kulisse abhebt. Die Ruine über dem Gebäude, das sich in den Felsen einfügt. Und das alles umrahmt von einem tiefen Grün der Büsche und dem klaren blauen Himmel. Auf dem Parkplatz vor der Tonnara stehen - wie sollte es auch anders sein - LKWs von einer Filmproduktionsfirma. Hier wird ein Movie gedreht. Wir können daher zwecks Besichtigung leider nicht hinein.

Das Naturreservat Zingaro ( = Zigeuner) an der sizilianischen Nordwestküste ist ein Schutzgebiet zwischen Castellamare del Golfo und Trapani. Dank der natürlichen Beschaffenheit aus Buchten, Höhlen und abgelegenen Buchten war dieses Gebiet in der Vergangenheit ein sicherer Hafen für Piraten und Fischer, die im Sturm auf See gefangen wurden. Bis heute scheint es das einzige Küstenschutzgebiet in der Region Sizilien zu sein, das nicht mit Asphaltstraße und Beton ausgestattet ist. Die Bevölkerung hat 1980 eine Eingabe gemacht, um der Zementierung und Verfremdung dieses irdischen Paradieses entgegenzuwirken, indem sie die Einrichtung eines Naturschutzgebietes forderte, um es vor dem Eingriff des Menschen zu schützen. Daher wurde jeglicher Kraftfahrzeugverkehr aus dem gesamten Areal verbannt, um Platz für den umweltschonenden Verkehr durch Tiere, wie Maultiere, Esel und Wanderer zu schaffen. Der einzige Abschnitt einer asphaltierten Straße endet am südlichen und nördlichen Eingang des Reservats.

Es besteht aus einer etwa 7 km langen Strecke mit einem Höhenunterschied von etwa 100 m bergauf/bergab, offiziell begehbar in etwa 2 bis 3 Stunden, wenn man sehr fit ist und mit Wanderschuhen, einem Rucksack sowie ausreichend Getränken versorgt ist. Das Ganze muss auch wieder gelaufen werden. Auf dem Weg verlieren wir unseren Blick in einer unvergleichlichen Aussicht, die von großen, mit Palmen, Eschen, Orchideen und dem glasklaren, smaraggrünen-blauen Mittelmeer bedeckten Gebieten eingerahmt ist. Wir könnten auch in verschiedene und einzigartige Buchten mit weißem Sand oder Kieselsteinen hinabsteigen, um ein Bad zu genießen, das Körper und Geist regeneriert. Machen wir aber nicht, erstens sehr anstrengend hoch und runter und zweitens zu kalt Anfang April. Trotz der verheerenden Auswirkungen des großen Flächenbrands im Jahr 2012, bei dem 80 % des Reservats zerstört wurden, bleibt das Naturschutzgebiet von großer Bedeutung für die Region. Dank umfangreicher Erholungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen ist das Schutzgebiet heute ein Symbol der Widerstandsfähigkeit und Hoffnung: Ein leuchtendes Beispiel für den Schutz der Natur und ihrer Schätze. Jede Menge Menschen - egal ob Jung oder Alt - sind hier unterwegs. Unglaublich! Wir schaffen ungefähr 2/3 des Weges bei dunkelblauem Himmel und strahlender Sonne hin und kehren dann schwitzend wieder um. Ganz schön anstrengend der felsige schmale Weg an der Mittelmeerküste hoch und runter und entlang. Für diese 9 km hin und zurück haben wir bereits 4 Stunden verbraten. Aber es war toll, durch diese Natur zu wandern. Unfassbar viele blühende Blumen haben ihren Teil dazu beigetragen. Und es hat geduftet wie schon lange nicht mehr.